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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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wünschte, das hätte ich auch gesehen«, was einige zu Gelächter veranlasste, während andere laut ihren Unmut über die Bilder bekundeten, die sie jetzt nicht mehr aus ihrem Kopf bekamen. »Ich sage ja nur«, erwiderte der Augenzeuge beharrlich. »So etwas kommt vor. Das ist ein ganz gewöhnlicher Sport.«
    Kiran hatte den Eindruck, dass die Arbeit auf den Feldern nach dem Gerede über die Sexliner leichter von der Hand ging. Und wenn die Leute ihr Tagewerk verrichtet hatten und in den Schlafsaal zurückkehrten, dann schien es so, als ob Landwirtschaft zu guter Letzt doch etwas Sexappeal bekommen hätte. In den Augen der Leute sah Kiran einen wohlvertrauten Ausdruck.

AUSZÜGE (5)
    Man nehme die Venus im Rohzustand. Eine CO 2 -Atmosphäre mit 95 bar, eine Oberflächentemperatur, in der Blei schmilzt und die sogar heißer ist als auf der Sonnenseite des Merkur. Ein Höllenloch. Andererseits hat sie 0,9 g und ist nur ein wenig kleiner als die Erde. Zwei Kontinente erheben sich aus ihrer Oberfläche, Ishtar und Aphrodite. Der Schwesterplanet der Erde. Hier gibt es echtes Potenzial für eine großartige Neuschöpfung.
    Man nehme einen Eismond des Saturn – Dione eignet sich wunderbar. Dann zerlegt man ihn mit selbst replizierenden Von-Neumann-Abbaumaschinen zu Brocken mit einer Kantenlänge von etwa zehn Kilometern. Diese Brocken versieht man mit elektromagnetischen Katapulten und schickt sie zur Venus.
    Währenddessen baut man einen runden Sonnenschild aus Luna-Aluminium, einem sehr dünnen Material von nur 50 Gramm pro Quadratmeter, aber mit 3 x 0 13 Kilogramm trotzdem das massereichste Objekt, das jemals von Menschen geschaffen wurde. Konzentrische Streifen verleihen dem Sonnenschild Flexibilität und gestatten es ihm, sich so in den Sonnenwind zu legen, dass er seine Position am L1-Punkt hält, sodass die Venus vollständig in seinem Schatten liegt. Ohne Sonneneinstrahlung kühlt der Planet mit einer Rate von fünf Grad Kelvin im Jahr ab.
    Nach 140 Jahren ist die CO 2 -Atmosphäre auf die Oberfläche abgeregnet und -geschneit und zu einer Trockeneisschicht erstarrt. Alles Trockeneis, das auf Ishtar und Aphrodite gelandet ist, kratzt man ab und schiebt es in die Tiefebenen runter, wobei man darauf achtet, die Oberfläche glatt zu belassen. Während man die Kontinente frei räumt, setzt man eine weitere Van-Neumann-Suite aus selbst replizierenden chemischen Fabriken frei, die dazu dienen, Sauerstoff aus dem gefrorenen CO 2 zu gewinnen. Das erzeugt eine 150-Millibar-Sauerstoffatmosphäre, was etwa genauso lange dauert, wie das gesamte CO 2 zum Gefrieren gebraucht hat. Da eine reine Sauerstoffatmosphäre zu leicht entzündlich ist, fügt man ein Puffergas hinzu, vorzugsweise Stickstoff, um eine stabilere Mischung zu erhalten. Den überschüssigen Stickstoff vom Titan wollen vielleicht schon zu viele, deshalb sollte man sich rechtzeitig darauf einstellen, Ersatz zu suchen. Auf dem Mond abgebautes Argon dürfte es im Notfall auch tun.
    Sobald man den gewünschten Sauerstoff hat und das Trockeneis flach auf den Tiefebenen ausgebreitet ist, bedeckt man Letzteres mit aufgeschäumtem Gestein, sodass das CO 2 vollständig in der Lithosphäre eingeschlossen ist.
    Jetzt schnappt man sich die Dione-Brocken, die man bislang aufgehoben hat, und schlägt sie in der Sauerstoff-Pufferstoff-Atmosphäre aneinander, und zwar genau in der richtigen Höhe, um Dampf und Regen zu erzeugen. Das führt dem Planeten, dessen Temperatur mittlerweile für menschliches Leben zu weit gesunken ist, wieder etwas Wärme zu. Eventuell kann man auch ein wenig Licht durch den Sonnenschild lassen, wenn man zusätzliche Hitze braucht. Nach nur zwei Jahren regnet und schneit der Großteil des beim Zusammenprall der Brocken entstandenen Wassers auf die Oberfläche ab, man muss sich also darauf einstellen, schnell zu arbeiten.
    Das Oberflächenwasser wird nach dieser Dione-Beregnung etwa zehn Prozent der irdischen Wassermassen entsprechen. Es handelt sich um Süßwasser; nach Geschmack Salz hinzufügen. Das Wasser wird die Venus zu 80 Prozent bedecken, und zwar bei einer Durchschnittstiefe von 120 Metern sehr viel seichter als auf der Erde. Wenn man lieber tiefere Meere und gleichzeitig möglichst viel Land möchte, sollte man darüber nachdenken, mithilfe einiger der aufschlagenden Dione-Brocken einen Meeresgraben zu reißen. Dabei sollte man allerdings bedenken, dass das die CO 2 -Abschottung erschwert, man den Vorgang also entsprechend anpassen muss.

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