2319 - Die Siedler von Vulgata
es."
Arrick starrte das Messer an. Unsicher fasste er danach. „Dein Vater?"
„Ja. Er hasst dich. Und ich glaube, im Geheimen fürchtet er dich auch. Noch nie hat ihm jemand die Stirn geboten.
Jedenfalls nicht so."
„Hattest du keine Angst, hier heraufzukommen?"
„Angst vor dir? Unsinn! Ich weiß, dass ich dir gefalle."
Das Herz setzte ihm aus. „Ich ..."
„Schon gut." Ein Lächeln flog über ihre weichen Züge. „Es ist ja nicht gefährlich.
Wenn du einmal neunzehn bist wie ich, wirst du dir jemanden in deinem Alter suchen. Also, lebe wohl!" Sie drehte sich um. „Warte!"
„Was ist?" Nun sah sie ihn wieder an. „Ich ... ich brauche Hilfe. Wie soll ich die Rebellen ernähren?"
„Verstehst du nicht?"
„Was meinst du?"
„Du hast dich gegen den Patriarchen von Vulgata gestellt, und du bist noch am Leben. Seit bald eintausend Jahren siedeln wir hier, und wahrscheinlich bist du der Erste, der es wagt, sich aufzulehnen. Du traust dir nicht zu, dieses kleine Häuflein Menschen zu führen? Arrick! Verstehst du nicht, dass du kein gewöhnlicher Mensch bist? Alle sind am Haus Genesis vorübergegangen, du aber hast dich seiner Kräfte bedient. Alle haben die 520 Gebote befolgt, ohne nach ihrer Herkunft zu fragen. Du aber hast nach den Wurzeln gesucht. Unser Gott hat Großes mit dir vor! Offenbar bist du der Einzige auf Vanderbeyten, der daran zweifelt. Du wirst grandios scheitern und viele Menschen ins Unglück stürzen. Oder du siegst wie kein Zweiter."
„Was denkst du?"
„Ich gehe jetzt besser." Wieder drehte sie sich um. Sie ging an Terbo vorüber und begann den Abstieg von der Felsenrampe.
Arrick rannte ihr nach. „Du gehst?", rief er. „Also denkst du, ich werde scheitern, nicht wahr? Sonst würdest du doch bei uns bleiben!"
Murielle tat, als hätte sie es nicht gehört
9.
Am nächsten Tag führte Arrick die Rebellen vom Felsen hinunter an den Waldrand. Während die Frauen die Spieße in die Bäume hinaufreckten und nach Spinnen ausspähten, brachen die Männer junge Hölzer um und rissen sie mit vereinten Kräften samt ihrem Wurzelwerk heraus. Terbo und seine Freunde bekamen von Arrick den Auftrag, aus den großen, fleischigen Blättern der Unkenbüsche Kelche zu flechten und sie mit Lehm auszustreichen, damit darin Wasser transportiert werden konnte. Am Fluss wurden vierzehn dieser Kelche gefüllt.
Arrick selbst schnitt mit Kantur Gothas gezacktem Messer Lianen herunter. Er musste sich, nachdem ihr Stamm durchtrennt war, mit seinem ganzen Körpergewicht an die Gewächse hängen, um sie aus dem Baumgeäst zu reißen, das sie fest umschlungen hatten. ,Einmal fiel der tote Körper einer Raubspinne mit herunter. Erschrocken standen bald alle Rebellen um sie herum, starrten auf die mannslangen Beine und den mächtigen Körper. Der Kopf der Spinne fehlte. Was auch immer ihn abgebissen hatte, musste noch größer sein als das haarige Tier.
Eine lebendige Spinne bekamen sie nicht zu Gesicht. Arrick glaubte nicht daran, dass ihre Anwesenheit den Spinnen entgangen war. Aber offensichtlich schreckte sie die große Zahl der Spießträgerinnen ab. Er spürte es: Die Tiere saßen hoch oben in ihren Verstecken und hielten Ausschau. Entfernte sich einer von der Gruppe, würden sie zuschlagen.
Nach der Rückkehr zum Felsplateau zählte Arrick seine Schützlinge. Erleichtert stellte er fest, dass niemand fehlte. Er wies die Rebellen an, die Hälfte der jungen Bäume in kleine Stücke zu zerteilen. Wieder erwies sich Kantur Gothas Messer als äußerst nützlich.
Welche Geschichte hatte Murielle ihrem Vater wohl aufgetischt, um ihren Misserfolg zu erklären? Er konnte nur hoffen, dass sie nicht geschlagen wurde zur Strafe für ihr Scheitern und dass der Patriarch sie nicht verdächtigte, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Das tat sie ja auch gar nicht. Sie war gegangen.
Die kleinen Holzstücke wurden als Querstreben zwischen dünne Stämme geknüpft. So entstanden sechs Leitern.
Am Abend las Arrick den Rebellen aus der Heiligen Schrift vor. Er schlug wahllos eine Seite auf und fing an zu lesen. Es ging um einen Mann, der von einem großen Fisch verschluckt wurde, weil er Gottes Auftrag zu entkommen versuchte.
Niemand verstand die Geschichte. Sie hatten noch nie einen Fisch gesehen, der größer war als ihre Hand. Fische waren Lurchfutter oder ein Zubrot für die Menschen, sonst nichts. Niemand konnte sich vorstellen, dass es einen Fisch geben sollte, der einen ganzen Mann fraß. Wenn er beim
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