2320 - Terra im Psi-Schauer
stieg in die Spuren und folgte ihnen bis zum Ende. Aus dem Nichts starrten ihn plötzlich zwei Augen hinter einer Schneebrille an. „He, du!" Marc London schnellte vorwärts. Er streckte einen Arm aus, bekam etwas Weiches, Nachgiebiges zu fassen. Ein Bein tauchte auf, es traf ihn seitlich am Oberschenkel. Das Bein verschwand und mit ihm auch die Schneebrille. „Alles klar", hörte er Mondra sagen. „Ich habe die Streustrahlung eines Deflektors in der Ortung."
Marc starrte auf den Fetzen in seiner Hand.
Er stammte von einem weißen Tarnanzug.
Verwundert musterte er den Stoff, steckte ihn dann ein. „Das kann nur ein Zufall sein", murmelte er. „Dass die Kerle ausgerechnet hier sind?
Ich weiß nicht so recht. Vermutlich sind sie überall. An unserem Gleiter kann es nicht liegen. Den haben Spezialisten des TLD vorher nach Wanzen untersucht."
Also doch die Satelliten! Sie beobachteten den Capella G3 mit Hilfe von geostationären Satelliten im Orbit. „Dunkelfelder sind keine im Spiel", fuhr Mondra fort. „Ein Leichter Kreuzer mit einem Kantorschen-Ultra-Messwerk steht hoch über uns im All. Er kann jedes Dunkelfeld im Umkreis von etlichen Lichtjahren orten. Gäbe es eines in unserer Nähe, wüssten wir es bereits."
„Vielleicht", sagte Marc, „sind Dunkelfelder nicht die einzigen Deflektoranlagen der Terminalen Kolonne."
Inzwischen waren mehrfach Chaos-Fähren in der Milchstraße aufgetaucht, hatten Geschwader ausgespuckt und Kolonnen-Forts abgesetzt. Potenzialwerfer und Fraktale Aufriss-Glocke bildeten unter Garantie nicht die einzigen Waffen, mit denen TRAITOR aufwarten konnte. „Ich glaube, ich habe sie", hörte er Mondra. „Du bist ziemlich nahe dran. Ich markiere die Stelle mit einer Farbpatrone."
„Verstanden!"
Ihm war, als habe ihn jemand in eiskaltes Wasser gestoßen. Schlimmer als die kalte Dusche von Fawn konnte es aber auch nicht sein.
Irgendwo seitlich seiner Position klatschte etwas auf dem Eis. Er rannte dem Geräusch nach, stieß auf einen leuchtend roten Fleck und einen Ring winziger Pünktchen drum herum. Marc wandte sich nach rechts in die bisherige Richtung. Er hatte eine leicht abfallende Eispritsche vor sich. Muster im Boden wiesen auf Spikes hin, die sich jemand an die Stiefel geschnallt habe. „Erschrick nicht", klang Mondras Stimme erneut aus seinem Helmempfänger. „Die Kerle gehen jetzt aufs Ganze."
Das Eis fing an zu dröhnen. Dann erklang ein rhythmisches, hartes Klack-Klack, ungefähr zwanzigmal. Marc warf sich sofort nach dem ersten Geräusch zu Boden.
Er hatte keine Lust, Opfer eines Zufallstreffers zu werden. Fassungslos lauschte er auf das Geballer. Jemand benutzte altertümliche Hartmantelgeschosse und feuerte damit offenbar auf den Gleiter.
Dann krachte es um ein Vielfaches lauter.
Das Eis erhielt Risse, während der Donner einer Explosion über Marc London hinwegrollte. Aus dem Nichts stieg ein rot glühender Feuerball in die Höhe. Schreie drangen herüber, Lebewesen rannten davon, bildeten hektische dunkle Flecken auf dem grellen Eis.
Ein Stück weiter rechts leuchtete ein Blondschopf zwischen Eiskristallen. Fawn!
Die Kerle schienen sie ebenfalls entdeckt zu haben. Aber sie rannten weiter, ohne der Botin des Nukleus Beachtung zu schenken.
Marc sprang auf. Er spurtete in Fawns Richtung, so gut der glatte Boden es zuließ. Die Arme streckte er als Balance von sich, hielt so einigermaßen das Gleichgewicht. Fawn, ich komme! Was tut sie jetzt? Fawn, nein!
Sie kam aus ihrem Versteck. Viel zu spät begriff er, dass sie nicht kletterte, sondern schwebte. Sie stieg bis auf zwei Meter Höhe über dem Boden und beschleunigte in Richtung der geflohenen Gestalten.
Marc schrie auf. Er sah die Gefahr, dass Fawn von ihm getrennt wurde. Warum in aller Welt hatte sie nur allein in diese Eiswüste gemusst. Es hätte bestimmt keine Rolle gespielt, wenn er sich ein Stück abseits von ihr aufhielt.
Ich werde es wohl nie kapieren! „Fawn, halte aus! Ich komme!"
Er rannte, rutschte mehrfach aus, fiel hin, rannte wieder. Jedes Mal kostete es ihn wertvolle Sekunden. Als er erschöpft aufgab, hatte sie sich gut zweihundert Meter von ihm entfernt. Ein Stück dahinter entdeckte er den Schweber der Kerle. Sie setzten das Fahrzeug soeben in Gang und ergriffen die Flucht, die Botin des Nukleus im Schlepptau.
Marc schleppte sich über das Eis. In sich spürte er übergangslos eine seltsame Leere, als sei ein Stück aus ihm selbst herausgeschnitten worden. Ohne Fawn würde er
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