2322 - Die Schläfer von Terra
netten Hund. „Was ich damit sagen will: Da bist du bei mir völlig richtig. Ich kann dir genau erklären, wie unser Schirm funktioniert. Was willst du wissen? Womit soll ich anfangen?"
Die Tür glitt auf. „Die Eclairs, Nathan."
Jack richtete sich auf und knurrte leise. „Wer braucht schon Eclairs?", blaffte der Direktor. „Iss sie selbst! Und stör mich in der nächsten Zeit nicht, verstanden?"
Und er begann zu erzählen. Harmony Woharm brauchte gar nichts zu sagen, das tat er für sie. Er erklärte ihr den Systemschirm, seine Funktion, seine hyperphysikalischen Grundlagen, wie er erzeugt und stabilisiert wurde - einfach alles. Wenn er einmal ins Stocken geriet, brauchte er bloß den Hund anzusehen, und schon sprudelte es wieder aus ihm heraus.
Nach fast drei Stunden verabschiedete er sie mit dem Versprechen, sie bald zu besuchen.
*
„Wo bleiben die verdammten Eclairs, Kim?", brüllte ein sichtlich aufgeregter Graham Nathan DeMoin in das Sprechfeld.
Draußen, im Vorzimmer, zuckte die Sekretärin schuldbewusst zusammen. „Und was ist mit meinem Nachmittagstermin? Wo steckt der?"
Kim erzitterte förmlich und wischte die letzten Krümel von ihrer Schreibtischplatte. „Aber Chef, den habe ich weggeschickt."
„Weggeschickt?"
„Du hast doch selbst darum gebeten, dass du nicht gestört wirst, während die Alte und ihr Hund ..."
„Ein Hund?" Das Schnaufen verhieß nichts Gutes. „Wer, zum Teufel, hat erlaubt, dass hier ein Hund herumläuft?"
Kim desaktivierte die Sprechverbindung und beorderte einen Reinigungsroboter ins Büro.
Es gab Tage, da verstand sie ihren Chef einfach nicht.
*
Draußen, auf dem Weg im Flugtaxi nach Hause, war Jack hochzufrieden. Er würde sich zum Treffen mit den Daerba zwar leicht verspäten, doch dafür hatte er die Informationen, die sie brauchten.
Selbstverständlich war es mit viel Anstrengung verbunden gewesen, als Hund in eines der Heiligtümer der Menschen vorgelassen zu werden. Er hätte es leichter haben können, die Gestalt seiner Wirtin anzunehmen und als diese zu DeMoin zu gehen.
Eine Kopie war allerdings stets mit Mängeln behaftet, er war kein perfekter Gestaltwandler. Jemand, der seiner Wirtin so nahe gestanden hatte wie der Direktor, hätte den Schwindel leicht durchschaut.
Und DeMoin und Harmony Woharm hatten sich einmal, wie er aus ihren Selbstgesprächen vor dem Trivid wusste, sehr nahe gestanden...
San Lucas, Mexiko Fiona Arlings und Gerd Herwald saßen in der dritten Reihe vor dem Podest, von dem Pierre Lasalle sprach. Die Aula der Bürgerhalle war bis zum letzten Platz gefüllt. Der kleine Ort San Lucas an der Südspitze der Halbinsel Baja California Sur, zwischen dem Golf von Kalifornien und dem Pazifischen Ozean, gehörte an diesem Tag nicht wie sonst den Touristen, sondern den Männern und Frauen, die aus der ganzen Welt dem Aufruf hierher gefolgt waren. Es waren Eltern, Geschwister, weitere Verwandte und Freunde.
Fiona schätzte ihre Zahl auf dreihundert in der Halle, und draußen warteten noch einmal mindestens zweihundert. Lasalles Worte wurden durch Lautsprecher zu ihnen übertragen.
Ihnen gemeinsam war, dass sie vor 41 Jahren einen Angehörigen verloren hatten, dass sie sich von der Regierung betrogen fühlten und dass sie zu allem entschlossen waren. Sie hatten ihre Habe zusammengepackt, Brücken hinter sich abgebrochen und waren hier, um sich das zu holen, was sie für ihr Recht hielten. Sie wollten die Menschen zurück, um die sie nie zu trauern aufgehört hatten; die ihnen von einem Schicksal genommen worden waren, das sie nie hatten begreifen können. „Wir haben alles versucht", sagte Lasalle, ein hagerer, großer Mann mit sanften Augen und kurz' geschorenen Haaren.
Hinter ihm wanderten dreidimensionale Aufnahmen von Kindern über die Wand.
Fiona schätzte ihn auf knapp hundert Jahre.
Sie hatte ihn in Monterey kennen gelernt, zusammen mit den anderen, die sich dort bereits getroffen hatten. Pierre Lasalle war dort zum Sprecher der Verzweifelten gewählt worden. „Wir haben alle legalen Mittel ausgeschöpft, die Behörden bedrängt und angefleht, uns zu helfen", sagte er. „Wir alle wollen nichts anderes als unsere Kinder, Geschwister und Freunde wiedersehen. Die Behörden sagen uns, dass sie nicht mehr existieren - nicht in der Form, wie wir sie gekannt haben und in unseren Herzen tragen."
„Das ist eine Lüge!", rief eine junge Frau. „Ich habe meine Schwester verloren! Aber jetzt ist sie da! Sie ist nach
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