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2335 - Das Geheimnis der Enthonen

Titel: 2335 - Das Geheimnis der Enthonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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viel mehr als ein Windschutz aus grob geflochtenen, erdbraunen Ästen, gedeckt mit grünem und weißem Laub.
    Hier, angesichts der Weite der Landschaft, empfand ich die Stille noch viel bedrückender als in der für alle Ewigkeiten konservierten Geisterstadt. Der Mangel an Hintergrundgeräuschen zwang mich zu überspitzter Aufmerksamkeit. Ich bildete mir fast schon ein, die Tulpen wachsen zu hören.
    Erstmals seit langem fiel mir wieder auf, dass das Licht der Sonne Rosella Rosado manchmal, reflektiert und gebrochen vom Gasriesen Sumnat, seltsam schlierige Effekte erzeugte. Verzerrungen, Schleier, Schemen. Ahnungen. Visionen.
    Halluzinationen? Nein. Der Unterschlupf war real. Der Varia ebenfalls, der darin kauerte, alle vier Hände gegen den Grätenschädel gepresst.
    Was er winselte, verstand ich nicht.
    Ich wies dem in meinen Anzug eingebauten Translator dreifache Rechenleistung zu. Dennoch versagte er.
    Individuell erstelltes Idiom, welches sich permanent sprunghaft, nach spontanegozentrisch widersprüchlichen Regeln, verändert, teilte er mit.
    Anders ausgedrückt: Der von Moos und Kompost bedeckte Varia war verrückt und wusste nicht einmal selbst, was er daherbrabbelte.
    Wortfetzen identifizierte ich. „Allianz"
    „Kalog"
    „Chaos"
    „Licht"
    „Mutter"
    „Zement"
    „Quartal"
    „Nebel"
    „Hoffnung"
    „Grab"
     
    *
     
    Kantiran von Satrugar ruft sich der Revisor ins Bewusstsein, ist unbescholten.
    Er mag auffällig geworden sein und etwas im Schilde führen, aber das Vorliegende rechtfertigt noch keinen Zugriff auf alle technischen Möglichkeiten des Erbes.
    Er ist ein Friedensfahrer, denkt der Revisor, wie auch ich einer bin. Uns stehen die gleichen Rechte zu, das Erbe zu verwalten, die selbst auferlegte Pflicht zu gestalten, mit dem Pfund zu wuchern.
    Die Heiße Legion lässt Kantiran und seinen Mentor den maskierten Saedelaere, stets passieren. Also muss ihre Einstellung zur Gesellschaft der Friedensfahrern nach wie vor untadelig sein. Sie sind keine Verräter. Aber.
    Es nagt im Revisor, zerreißt ihm schier die körperliche Hülle, dass er weder Hin noch Beweise hat, die eine Mobilisierung seiner Kräfte gestatten. Er weiß, dass er richtig liegt. Etwas läuft. Und Kantiran, der Verschollene, stellt eine Schlüsselfigur dar.
    Aus Prinzip ist der Revisor wachsam. Aus demselben Prinzip greift er nicht ein, bevor gravierendere Verdachtsmomente gegeben sind.
    Der Revisor wartet. Geduldig, gespannt, fast ängstlich.
    Auf einen Fehler.
     
    *
     
    Zwei Stunden lang wich ich dem kranken Varia nicht von der Seite. Unsichtbar begleitete ich ihn auf seinen erratisch verschlungenen Gängen kreuz und quer durchs Tulpenfeld.
    Dieweil er allerlei gärtnerische Arbeiten verrichtete, murmelte der Varia, der sehr alt sein musste, in einem fort. Er redete dabei nicht mit sich selbst, sondern unzweifelhaft mit den kopfgroßen Blütenkelchen.
    Dass Pflanzenliebhaber zu ihren Schützlingen sprechen, ist keine Seltenheit.
    Der Varia aber adressierte die weißen Tulpen, als handle es sich um konkrete Personen. Und sie „antworteten" - indem sie ihre blassblauen Maserungen fließend veränderten.
    Wieder ähnelten sie thonischen Schriftzeichen. Aber sie waren zu unscharf und zerflossen zu rasch, als dass ich etwas hätte lesen können. Meine instinkttelepathische Fähigkeit half mir auch nicht weiter; Tulpen waren nun mal, selbst wenn sie verwischte, buchstabenartige Schnörkel ausbildeten, keine Tiere. .
    Ich zeichnete die „Unterhaltungen" mit meinem Holosensor auf, spulte sie verlangsamt ab und zog abermals den Translator zu Rate. Abermals vergeblich - das Gerät konnte genauso wenig damit anfangen wie mit dem wirren Gestammel des Grätenköpfigen.
    Der Varia hatte offenbar eine Privatsprache entwickelt, wie es dies Wahnsinnige nicht selten tun. Sein persönliches Idiom war nicht nur völlig unlogisch aufgebaut, sondern veränderte die ohnehin kruden grammatikalischen, syntaktischen und semantischen Regeln alle paar Sätze aufs Neue. Da kam kein noch so hoch entwickeltes Übersetzungs-Programm mit.
    Der irre gewordene Tulpenzüchter hatte den Kontakt zur Realität verloren. Er lebte in seiner eigenen, chaotischen Welt.
    Ich empfand Mitleid für den Greis und entschloss mich, ihn in Frieden zu lassen.
    Wollte schon zu meinem Schweber zurückgehen, da schnappte ich etwas auf, was mich elektrisierte wie ein Stromstoß.
    Während der Varia eine besonders große, vollendet geformte Blüte mit seiner Gartenschere vom Stiel

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