2336 - Das Wunder von Terra
schließlich in einer Nebenhalle eine Frau entdeckte, die ihr von hinten täuschend ähnlich sah: kastanienbraunes Haar, der Schnitt stimmte, Figur und Stil der Kleidung ebenfalls. Nur dass die Frau an einer Theke stand, mit einem Glas in der Hand, und der Rotschopf neben ihr, der zudringlich ihren Po befummelte, Morg D'Accuzu war.
Die Frau streifte seine Hand ab, D'Accuzu griff wieder zu, sie schlug nach ihm und drehte sich weg. Doch D'Accuzu verstellte ihr den Weg, als sie fliehen wollte, und nagelte sie an der Theke fest.
Solari bewegte sich parallel zum Tresen, bis er ihr Gesicht erkannte. Es war Catalina Tampa. Er hatte sich anschleichen wollen, von hinten kommen und zufällig dazustoßen; doch als er ihre Miene sah, strebte Solari auf geradem Weg zum Tresen. „Hallo, Morg. Hallo, Catalina."
D'Accuzu musterte ihn mit Geringschätzung und Drohung zugleich. „Verschwinde, Junior! Alderfarn sucht dich schon, also sei vorsichtig."
Catalina stieß hervor: „Schön, dass du da bist. Ich wollte hier ein Interview führen, dein Mannschaftskollege ..."
„Junior, verschwinde!"
Solari blickte seinen Sechser gerade an, und als er D'Accuzus Hand wieder an Catalinas Po sah, verlor er die Beherrschung. „Kleiner, mach jetzt keinen ..."
Solari war Sportler. Gemessen am weltbesten Standard ein Weichei, vielleicht, doch seine Geschwindigkeit war viel zu groß, als dass D'Accuzu reagieren konnte. Alderfarns Training. Solari zog ohne Ansatz das Bein hoch, rammte das Knie D'Accuzu zwischen die Beine und setzte die Faust hinterher, direkt ins Gesicht, als der Rotschopf zusammenklappte.
Normal war an diesem Punkt alles zu Ende. Aber auch D'Accuzu war Sportler - der Mistkerl kam hoch, obwohl - er benommen hätte liegen sollen, mit Wildheit und Angriffslust im Blick, und fixierte Solari.
D'Accuzu war ein Kampfroboter. Dieses Mal blieb Junior keine Zeit.
Bevor Solari reagieren konnte, krachte D'Accuzus Faust in sein Gesicht, er fühlte sein Jochbein splittern, Catalina Tampa schrie, und das Letzte, was er durch Blut noch sehen konnte, waren Kameras mit Blitzbeleuchtung.
*
Der Medoschweber von draußen nahm die Erstversorgung vor. „... Jochbein mit Trümmerbruch ...", hörte Solari wie durch Watte, „... plus ein Teil der oberen Zahnreihe ..."
Da der Schaden ambulant nicht behoben werden konnte, flog der Schweber zur Medostation am Aldebaran Space Port. Ein Team von Medospezialisten nahm sich erst das Jochbein, dann die Zähne vor, mit von einer Positronik unterstützten Mikrosonden, und Solari verfolgte auf den Schirmen, wie sich die Knochen zusammenfügten.
Der Schmerz kam hinterher, im Krankenzimmer. Weniger in der Wange, denn die war repariert, vielmehr als seelischer Katzenjammer: Was sich ereignet hatte, war unverzeihlich.
Zur vollen Stunde aktivierte Solari das Zimmer-Trivid. Nachrichten zur Terminalen Kolonne standen zu Beginn: Ein Bürgerantrag wurde überreicht, an der Solaren Residenz, entgegengenommen von Homer G. Adams persönlich.
Sechzigtausend Unterzeichner forderten die Kapitulation des Solsystems; besser lebendig unter der Kolonne, hieß es, als tot im Traitank-Feuer. Solari kannte das Begehren. Sechzigtausend klang viel, aber was wogen sie gegen fünfzehn Milliarden Menschen im System? Sensationell war, dass die halbe Mannschaft von Solar Terrania unterzeichnet hatte, inklusive Trainer.
An Sendeplatz Nummer zwei folgten Junior Solari, das Gesicht blutüberströmt, und Morg D'Accuzu: „Zwei Prügelknaben vom Mond."
„... berichten unterdessen von Sofortmaßnahmen der Mannschaftsführung. Major a. D.
Alderfarn, Coach der Luna Levitator, ließ unverzüglich die Spieler Solari und D'Accuzu vom Training suspendieren. Als gesichert gilt die Streichung aus dem Levitator-Kader, heißt es seitens ..."
Solari schaltete das Trivid ab. Er hatte es so erwartet. Kein Team des Systems konnte sich bieten lassen, was in der Garbus Music Hall geschehen war.
An der Tür tönte der Summer. Solari erwartete auch das.
Trainer Alderfarn trat ins Krankenzimmer, mit kaltem Blick, als rücke er zur Vollstreckung eines Urteils an. Solari schluckte, doch er richtete sich auf und reckte das Kinn vor. Er hatte Catalina verteidigt, und das war richtig gewesen: Alderfarn konnte tun und sagen, was er wollte. „Zeig mal deine Wange her!", befahl der Trainer nach einer Weile.
Solari wandte den Kopf. „Im Trivid sah das böse aus. Scheint alles gut versorgt, hast du Schmerzen?"
Solari schüttelte den Kopf.
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