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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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langer Zeit betrat Nanette das Oberdeck. Der Franke folgte ihr wortlos, ließ sie keinen Moment aus den Augen. Die Luft roch frisch, die Sonne schien freundlich auf die Schiffe herab. Sie stand so hoch, wie Nanette es niemals zuvor gesehen hatte. Die Strahlen kitzelten ihre Nase, reizten sie zum Niesen.
    »Hast du Boris heute schon gesehen?«, fragte sie den Franken. »Such ihn bitte und sag ihm, dass ich ihn sprechen möchte.«
    Der Franke nickte und machte sich wortlos auf den Weg, in Richtung des kleinen Containers, den man auf das Deck gepfropft hatte und der als Kommandoleitstand diente. Wenige Minuten später kehrte er zurück, mit dem Russen im Gefolge.
    »Du kannst mich nicht einfach so von der Arbeit wegholen!«, rief Boris ihr verärgert zu. »Du machst mich vor meinen Leuten lächerlich!«
    »Verzeih mir, aber ich hatte Sehnsucht nach dir.« Sie nahm Boris am Arm und führte ihn weg vom Franken. Erst als sie sich sicher war, dass der große Mann sie nicht mehr hören konnte, fuhr sie im Gespräch fort: »Weißt du, wie es ist, mit jemandem zusammen sein zu müssen, der dich nicht liebt? Der einen in Einsamkeit schmachten lässt und kein Verständnis für dich hat? Ich wollte, ich hätte jemanden wie dich an meiner Seite…« Sie seufzte und lehnte sich sanft gegen den neuen Projektleiter. »Ich wollte, wir hätten bald unser Ziel erreicht. Ich freue mich so sehr darauf, wieder festen Boden unter den Beinen zu spüren und ein neues Leben zu beginnen. Ein neues Leben, mit jemandem, der meine Probleme versteht und Verständnis für meine Wünsche hat.«
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte Boris unsicher. »Wir schätzen, dass unsere neue Heimat nur noch hundert Seemeilen voraus ist.«
    »Wieso seid ihr euch eigentlich so sicher, dass wir auf diese Inseln stoßen?«
    »Die Alten besaßen großes Wissen über die Antarktis. Sie wussten viel mehr als wir, und sie legten exakte Dokumentationen an über das, was uns erwartete, wenn das Eis einmal schmelzen würde. Nachdem der Komet eingeschlagen war und sie in der Einsamkeit ihrer Stationen darauf hofften, dass die endlose Dunkelheit und Kälte irgendwann einmal enden würde, haben sie Pläne erstellt, wie ihre Nachfahren von vorne anfangen könnten.« Boris drehte sich beiseite und blickte aufs offene Meer hinaus. »Sie ahnten, was zu tun war, und sie wiesen uns den Weg hinaus zu den Inseln des Rossschelfs, die eines Tages vom Eis befreit sein würden.«
    »Und woher wussten sie dies alles? Haben sie denn den ganzen Tag vor ihren Computern gesessen und nachgedacht und gerechnet und Theorien entwickelt?«
    »So ist es. Viele von ihnen waren hochspezialisierte Wissenschaftler, die ungeheure Strapazen in einem extrem unwirtlichen Lebensraum auf sich nahmen. Viele von ihnen waren Idealisten, und sie hassten das engstirnige Denken ihrer Regierungen, bevor ›Christopher-Floyd‹ auf die Erde stürzte. Sie träumten von einer geeinten Menschheit und hofften, diesen Traum nach dem Ende der Eiszeit verwirklichen zu können.«
    Nanette ließ den Projektleiter reden. Er schwafelte gerne und wollte sie mit seinen ineinander verschachtelten Sätzen beeindrucken. Wie Davide war auch er ein Besessener, der von der Vision eines Paradieses angetrieben wurde.
    Nur besaß er nicht dessen Willenskraft.
    Gut so.
    »Wenn wir die Inseln erreicht haben«, sagte Nanette, scheinbar zögerlich, »möchte ich mir gerne selbst aussuchen, wo ich leben darf. Glaubst du denn, dass das möglich ist?«
    »Ich weiß nicht…« Boris’ Hände krampften sich um die Reling. »Trotz aller Planungen und Vorbereitungen wissen wir nicht, was uns erwartet. Fauna und Flora zeigen viele Mutationen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Wir werden uns den neuen Lebensraum erobern müssen.«
    »Ich habe einen starken Bewacher«, sagte Nanette.
    »Du meinst den Franken? Ich bin nicht sicher, was ich von ihm halten soll. Er hat uns viel geholfen, aber er… flößt mir Angst ein.«
    »Er ist lammfromm, glaube mir.«
    »Ich verstehe dich nicht, Nanette. Du willst mit ihm und Pierre unter einem Dach leben? Wie soll das funktionieren? Es sind schon boshafte Gerüchte im Umlauf.«
    »Ich habe längst aufgehört, etwas auf Gerüchte zu geben. Sieh sie dir doch an, all die verhärmten Mannsweiber, hässlich wie die Nacht, die vor lauter Ärger darüber, dass niemand sie ansehen will, bösartige Verleumdungen über mich verbreiten.«
    »Mag sein, mag sein. Aber ich glaube dennoch nicht, dass du, Pierre und der Franke

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