235 - Auf dem sechsten Kontinent
Platz gefunden hat. Derzeit ist noch alles im Umbruch begriffen…«
Matt brach ab, überwältigt von den eigenen Erinnerungen. Sein Weg hatte ihn kreuz und quer durchs Weltgeschehen geführt. Tagtäglich war er mit neuen Bedingungen konfrontiert gewesen, stets hatte er sich getrieben gefühlt, nach einem Ort zu suchen, an dem er sich wohl fühlte. Doch die Probleme hatten niemals ein Ende gefunden. Stets schien er im Fokus allen Interesses zu stehen. Als würde ein allgegenwärtiger Gott mit dem Zeigefinger aus den Wolken herab auf ihn deuten, um klar zu machen, dass es ganz alleine auf ihn ankam.
Wandler. Finder. Streiter.
Auf diese drei Begriffe reduzierte sich eigentlich alles. Sie hatten ihn hierher geführt, in diesen seltsamen, in sich geschlossenen Kulturkreis.
Was trieb ihn bloß dazu, eine angeblich ultimative Waffe am Arsch der Welt aufzuspüren? Warum konnte er sich nicht irgendwo ansiedeln, Land urbar machen und sein Leben zusammen mit Aruula genießen, abseits all der Probleme einer aus den Fugen geratenen Erde?
Nun – die Antwort kannte er längst – und hatte sie auch akzeptiert. Es war wider seine Natur, den Kopf in den Sand zu stecken. Als Überlebender einer untergegangenen Zivilisation fühlte er die Verpflichtung, zu helfen. Zu viele Freunde und Verbündete verließen sich mittlerweile auf ihn. Und gerade die aktuelle Situation war ohne Alternative: Wer sonst sollte versuchen, den Streiter zu stoppen, wenn er die Erde erreichte? Außer ihm wussten nur wenige Eingeweihte überhaupt von der kosmischen Bedrohung. Und nur er allein hatte den Streiter in einer Vision gesehen; zumindest seinen Schatten, und allein das hätte ihn fast in den Wahnsinn getrieben.
Matt starrte ins lebhaft brennende Lagerfeuer, in seine Gedanken versunken. Es dauerte eine Weile, bis er bemerkte, dass alle Gespräche ringsum verstummt waren.
Irritiert sah er sich um. Juri, Cesc, Hank und alle anderen Außenländer waren aufgestanden. Mit feindseligen Blicken starrten sie einer Gruppe von Neuankömmlingen entgegen. Einem Familienclan, der von einer alten Vettel angeführt wurde, die sich schwer auf einen Stock stützte. Hinter ihr kamen Frauen und Männer unterschiedlichen Alters, dazu eine Horde Kinder. Als Letzte traten eine bildhübsche Frau mit lockigem blonden Haar und ihr riesenhafter Begleiter ins Licht des Feuers. Das Gesicht des Mannes war zernarbt, entstellt, als bestünde es aus unterschiedlichen Teilen, die jemand schlampig aneinandergenäht hatte.
Cescs Stimme zitterte, als er flüsterte: »Die Gadgets sind da, und sie haben den Franken mitgebracht…«
6.
Die Siedler der Inseln
Ein Boot sank, während der Nachtstunden von merkwürdigen Geschöpfen mit langen Tentakeln in die Tiefe gezogen. Zwei weitere wurden an einer Riffwand wie von einem riesigen Büchsenöffner aufgeschnitten. Nur wenige Menschen konnten aus der eiskalten See gerettet werden.
Die Situation an Bord der übriggebliebenen Schiffe wurde immer verzweifelter, immer beengter. Boris’ Fähigkeiten als Anführer wurden vermehrt angezweifelt, und selbst der Franke, den Nanette nach Pierres unglücklichem Unfalltod ihrem neuen Liebhaber zur Seite stellte, konnte die Meute nur noch mit Mühe daran hindern, eine offene Rebellion gegen den Expeditionsanführer anzuzetteln.
Das erste Mal in ihrem Leben fühlte Nanette Angst, richtige Angst. Die Kontrolle über die Situation entglitt ihr zunehmend. Das Balg, das in ihrem Bauch heranwuchs, schwächte sie und zerstörte darüber hinaus jene betörende Wirkung, die sie auf Männer und manche Frauen ausübte.
»Wo sind diese verdammten Inseln?«, fauchte sie Boris an. »Ich dachte, du wüsstest, wo wir hin müssen?«
»Sie sind hier irgendwo«, erwiderte ihr Freund mit jämmerlicher Stimme und deutete durch das Bullauge ihrer Kabine hinaus aufs Meer.
Nanette tat den Einwand mit einer Handbewegung ab. »Wir kreuzen hin und her, nähern uns dem Ende unserer Dieselreserven und der Nahrungsvorräte, und du faselst von Vermutungen und Hoffnungen!«
Nanette trat dicht an ihn heran, sodass er diese seltsame Melange aus erotischer Anziehungskraft und Aggressivität, die von ihr ausging, noch deutlicher zu spüren bekam. Sie liebte es, ihre Liebhaber zu verwirren. So sehr, dass sie keine klaren Gedanken mehr fassen konnten und widerspruchslos das taten, was sie wollte. »Wir müssen uns in Acht nehmen«, raunte sie Boris ins Ohr. »Man munkelt von Meuterei. Denk dran, dass du niemals ohne den Franken
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