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235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Freddie und Charles hatten den Kampf gegen Aruula nach Punkten verloren und ergaben sich nun ihrem Schicksal: einer Wäsche im eiskalten Wasser des Teichs nahe des Tunnelzugangs.
    »Wie war ich?«, fragte die Barbarin.
    »Pädagogisch gesehen eher mangelhaft, wenn man die Maßstäbe des einundzwanzigsten Jahrhunderts heranzieht…«
    »Du redest, als hättest du einen Tekkniker verschluckt!«
    »… angesichts deines Erfolgs muss ich aber sagen, dass du es ausgezeichnet gemacht hast. Du hast die Herzen der Kinder im Sturm erobert. Und jenes von René sowieso.«
    »Hast du eine Ahnung!« Aruula grinste übers ganze Gesicht. »Ihr Mann wird sich wundern, wenn er heute zu ihr ins Bett steigt. Ich habe ihr die Augen geöffnet und ihr ein paar Dinge über diese Emanziton beigebracht, von der du mir erzählt hast.«
    »Du hast… was?« Matt fiel die Kinnlade herunter.
    »Keine Sorge.« Aruula winkte ab. »Ich hab ihr nur klar gemacht, welche Macht die Frauen in anderen Teilen der Welt haben.«
    Bevor Matt seine Sprache wieder gefunden hatte, wandte Aruula sich ab und gesellte sich wieder zu René, die spürbar an Selbstsicherheit gewonnen hatte.
    Nun… es sollte ihm erst einmal genügen, dass das Eis zwischen ihnen und der Farmerfamilie gebrochen war. Nun ging es darum, die Gäste der heutigen Feier von ihrer Rechtschaffenheit zu überzeugen. Juris zu erwartende Reaktion über die Emanzipation seines Weibes war dagegen nur ein Klacks.
    ***
    Aruulas und Matts Waffen verblieben im Haus der Rozhkois, so wie auch jene der Besucher dort eingelagert wurden. Messer lagen neben uralten Militärpistolen, Schwerter neben selbstgefertigten Wurfeisen. Nichts und niemand sollte den friedlichen Charakter der Veranstaltung gefährden.
    Doch was sollte schon passieren? Alle Gäste erwiesen sich als zuvorkommend und höflich. Mit distanzierter Neugierde erkundigten sie sich nach den Widernissen, mit denen Matt und Aruula auf der Reise hierher konfrontiert worden waren.
    Matthew konnte sich unmöglich alle Namen merken. Hank und Liesel Achdé brachten Eltern und Großeltern mit, ein dümmlich grinsender Junggeselle namens Giacomo hielt mit seinen schwieligen Pratzen ein Mädchen an den Schultern, das halb so alt und halb so groß wie er war; die Kinderhorde der O’Malleys frischte ihre Feindschaft mit den Rozhkois auf, ein weißhaariger Mann, der seine besten Jahre längst hinter sich hatte, versuchte sich im Vodka-Wetttrinken gegen den dicklichen Jimmy Huffa und sank beim zweiundzwanzigsten Glas bewusstlos zu Boden…
    Namen und Begriffe schwirrten durch Matts Kopf, ständig wurden ihm neue Geschichten zugetragen. Jeder wusste alles über jeden – und noch ein bisschen mehr. Er hörte Gerüchte, Lügen, Vermutungen, Anschuldigungen, Reminiszenzen an die guten alten Zeiten…
    Die Zusammenkunft gab den mehr als fünfzig Anwesenden die Möglichkeit, alte Probleme aufzuarbeiten und neue Bande zu schmieden. Mann und Frau sprachen dem Alkohol reichlich zu, und die Tische bogen sich unter den Unmengen an Fleisch, Gemüse und Früchten, die die Besucher mitgebracht hatten.
    »Du hast also große Teile der Welt gesehen«, sagte ein junger Mann namens Cesc ehrfürchtig, »und du meinst, dass sie vollständig bewohnbar ist?«
    »Ja.«
    »Wir könnten in die Heimat unserer Vorväter zurückkehren?«
    »Was wir unter keinen Umständen tun werden«, fiel ihm Juri ins Wort. Er warf dem Jungen einen bösen Seitenblick zu. »Wir sind hier zu Hause. Was sollen wir an Orten, die von mutierten Tieren besetzt gehalten werden und in denen unterschiedliche Gruppierungen um die Vorherrschaft kämpfen? Hier haben wir ohnedies das Paradies auf Erden…«
    »Na ja«, wagte Cesc zu sagen, schwieg aber gleich darauf wieder.
    Abwanderungspläne wurden im Außenland ungern zur Kenntnis genommen. Matt konnte sich vorstellen, warum. Auf den Inseln lebten dreihundert Familien, insgesamt also ein paar tausend Menschen. Jeder einzelne Verlust bedeutete eine Verkleinerung des genetischen Pools und damit eine Gefährdung der Kolonie.
    »Vieles hat sich verändert, Cesc«, sagte Matt vorsichtig. »Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben, an vielen Orten der Welt herrscht Chaos. Die Menschen müssen zur Kenntnis nehmen, dass ihnen dieser Planet nicht mehr alleine gehört. Sie müssen lernen zu teilen. Auch wird es noch eine Zeitlang dauern, bis sich neue Kräfteverhältnisse herauskristallisiert haben, bis adäquate Regierungsformen gefunden werden, bis jedermann seinen

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