Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
ihn, legte ihn erneut auf die Spiegelfläche, tat dies in raschem Rhythmus. Matt achtete auf die Signalfolge. Sie war ihm unbekannt. Offenbar hatten die Außenländer ein eigenes Mitteilungssystem entwickelt, das mit dem Morsealphabet nichts gemein hatte.
    Nach nicht einmal zwei Minuten kam eine Antwort. Winzige Lichtreflexe, ebenso unverständlich, ebenso rasch übermittelt wir Juris Botschaft.
    »Heute Abend, sobald die Sonne untergeht«, murmelte der Siedler. »Hank wird die Nachricht weitergeben.« Er sandte drei weitere Botschaften aus, bevor er das einfache Nachrichtengerät sorgfältig zusammenklappte und wieder in der versenkbaren Kiste verstaute. Er legte den schweren Stein darüber, erhob sich und sah Matt direkt in die Augen. »Er meint, ich solle dir unter gar keinen Umständen trauen. Er war vor nicht einmal einem halben Jahr innenländisch. Dort gehen seltsame Dinge vor. Man bekämpft sich gegenseitig. Mag sein, so sagt Hank, dass sich einer der schwächeren Nationen nach einer Zufluchtsmöglichkeit umsieht – und dabei an unser kleines Paradies gedacht hat.«
    ***
    Matt musste vorausgehen; Juri, dessen Misstrauen wieder geweckt war, folgte zwei Schritte dahinter.
    Commander Matthew Drax hatte viel gelernt in dieser postapokalyptischen Zeit, und sicherlich hätte er den Farmer trotz dessen kräftigen Körperbaus in einem Faustkampf besiegen können. – Doch war es klug, sich auf ein Kräftemessen einzulassen? Sie wussten noch nichts, noch gar nichts über das Leben in den antarktischen Regionen. Es gab so viele unbekannte Gefahren und Hindernisse.
    Es war wohl besser, wenn sie sich auf einen Urteilsspruch der Außenländer einließen. Wenn Juri, Hank und die anderen Farmer ihnen vertrauten, würden sie ihnen helfen, tiefer in antarktische Siedlungsgebiete vorzudringen. Wehrten Aruula und er sich hingegen, waren sie vogelfrei und würden bestenfalls zur Transportqualle zurückkehren können. Doch auch diese Option erschien mit großen Risiken behaftet. Die Dentrillen waren hochempfindlich, und auf eine seltsame Art und Weise unterstützten sie die Außenländer. Der Wasserwald mochte ihre Rückkehr zur bionetischen Qualle verhindern.
    »Ich vertraue dir«, hörte Matt die Stimme Juris. Sie klang bedauernd. »Aber die Innenländer sind… anders als wir. Sie sind falsch, sie arbeiten mit Intrigen und Verrat. Sie haben kein Ehrgefühl im Leib.«
    »Aruula und ich haben nichts zu verbergen.«
    »Dann habt ihr auch nichts zu befürchten.«
    Vor ihnen tauchte bereits wieder der Teich auf, hinter dem sich der Zugang zum Tunnelsystem befand. Er war über einen schmalen Weg zu erreichen, der sich am Wasser entlang zog. Im Zwielicht traten die reliefartigen Vertiefungen, die Matt beim Aufstieg mehr erahnt denn gesehen hatte, noch deutlicher hervor. Die Umrahmung des kreisrunden Tors stellte ein riesiges, verunstaltetes Geschöpf dar, das scheinbar ins Innere griff. Es tastete nach jenen, die es wagten, diesen Weg zu beschreiten.
    »Hast du dieses Relief geschaffen?«, fragte Matt. »Es wirkt so fremdartig.«
    »Es war ein Mann vom Bautrupp«, antwortete Juri. »Vor langer Zeit.« Unbehagen schwang in seiner Stimme mit, als fürchtete er sich vor seinen eigenen Worten.
    Sie schwiegen beide, bis die Hütte der Rozhkois erreicht war. Lautes Gelächter hallte ihnen entgegen. Drei quietschvergnügte Jungen liefen umher, verfolgt von Aruula. Ihr dunkler Haarschopf wehte im Wind. In ihren Händen hielt sie nussgroße Früchte, die sie mit bemerkenswertem Geschick in Richtung der drei Burschen schleuderte. Die Knaben waren über und über mit Spuren des tomatenähnlichen Gemüses bedeckt. Sie schlugen Haken und suchten Deckung hinter Felsen oder Bäumen, doch der Treffsicherheit Aruulas entkamen sie nicht.
    »Nimm das, Schurke!«, rief Matts Begleiterin mit lauter Stimme und landete einen weiteren Volltreffer im Gesicht des Ältesten, Ruslan, der vor Freude laut aufjohlte.
    René saß – oder lag – indes auf der Veranda und zerbarst schier vor Lachen. Sie applaudierte ihrer neu gewonnenen Freundin. Offenbar war sie begeistert darüber, dass endlich jemand ihrer lebhaften Brut Paroli bot.
    Mir scheint, dachte Matt, dass Aruula mit ihren Methoden die Herzen der Rozhkois viel rascher und nachhaltiger erobert hat als ich mit meinem Gerede.
    Bei den Wurfgeschossen handelte es sich in der Tat um süßschmeckende Tomaten, wie Matt erfuhr. Um Ausschussware einer Frühernte, die von einem Komposthaufen stammte. Ruslan,

Weitere Kostenlose Bücher