Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
235 - Auf dem sechsten Kontinent

235 - Auf dem sechsten Kontinent

Titel: 235 - Auf dem sechsten Kontinent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
an Deck gehst.« Sie griff ihm energisch zwischen die Beine und begann ihn zu massieren. So wie er es liebte. »Wir müssen uns auf alle Eventualitäten vorbereiten. Sieh zu, dass eines der Boote geräumt wird und ausreichend Vorräte an Bord sind. Wenn wir flüchten müssen…«
    Schreie ertönten, jemand klopfte energisch gegen die Türe. Der Franke, der wie immer draußen Wache stand, stieß einen markerschütternden Schrei aus; gleich darauf waren Kampfgeräusche zu hören.
    »Zu spät«, sagte Nanette ängstlich: »Sie kommen, um dich zu holen…«
    Sie zog sich weiter in den Raum zurück, verkroch sich zwischen Decken und Polstern, wollte das Unglück nicht kommen sehen. Alles entglitt ihr, ihre Pläne brachen wie ein Kartenhaus zusammen. Sie stand vor den Ruinen ihres Lebens, hatte trotz aller Raffinesse, mit der sie die Angehörigen von vier Kolonien gelenkt hatte, schlussendlich versagt…
    »Ich gehe«, sagte Boris mit blassem Gesicht. Er zog eine russische Militärpistole aus seiner Tasche und drückte sie Nanette in die Hand. »Tu, was du tun musst«, sagte er. Und: »Ich liebe dich noch immer, obwohl… obwohl …«
    Er drehte sich beiseite, ohne den Satz zu beenden, und öffnete die Türe. Augenblicklich wurde er von einem Knäuel von Menschen verschlungen, das sich rings um den Franken gebildet hatte.
    Nanettes Herz schlug heftig. Sie konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. So ist es also, das Ende, dachte sie und hielt die Waffe eng an ihre Brust gedrückt.
    Die Angst machte sie zum zitternden Wrack. Wenn ich den heutigen Tag überlebe, schwor sie sich, werde ich niemals mehr wieder jemanden manipulieren. Ich werde Boris eine gute Frau sein und alles für ihn tun… Noch besteht Hoffnung, sprach sie sich selbst Mut zu, denn am Franken kommt niemand vorbei. Solange er lebt, lebe auch ich …
    Das Stimmengewirr steigerte sich, die Kampfgeräusche hingegen ließen nach. Boris’ tiefe Stimme dröhnte über die Menge. Er faselte Unzusammenhängendes, ließ seine Emotionen dann mit einem lang gezogenen Schrei hinaus.
    Er schrie… vor Freude!
    Er stürmte in den Raum, rief: »Komm an Deck!« und zog sie mit ungeahnter Kraft auf die Beine. »Das Schelfland! Wir haben unser Ziel erreicht!«
    ***
    Das erste entdeckte Eiland wurde nach Allen Barter, dem ehemaligen Anführer einer der beiden australischen Stationen benannt, der in der See ums Leben gekommen war.
    Voll Ehrfurcht betraten die Überlebenden einer Monate langen Reise durch Eis, Schnee und übers Meer den Strand einer windgepeitschten Bucht. Sie duckten sich in den Schutz hoher Felswände und drückten sich zitternd aneinander. Die Wettergötter hatten kein Verständnis für die Erleichterung der neuen Siedler. Sie brachten Schnee und Regen und Sturm mit sich, und sie ließen in ihnen allen die Erleichterung, die sich während der vergangenen Stunden aufgebaut hatte, wieder auf ein Minimum sinken.
    Barter musste erobert werden, so wie wohl auch die anderen Inseln, die sich vage im Nebel zeigten. Hier wartete ein gehöriges Stück Kampf auf sie, und der Ausgang dieser Schlacht war keineswegs gewiss.
    »Also gut!«, schrie Boris gegen den Wind an. »Wir verankern die Boote in der Bucht und bringen so rasch wie möglich alles an Land, was wir benötigen. Dort« – er deutete ans andere Ende der kleinen Bucht – »lagern wir die Vorräte und errichten das Basiscamp. Ihr wisst, was auf uns zukommt. Wir müssen die Schiffe ausschlachten, bis zum letzten Stück verrosteten Blechs. Ich erwarte, dass jedermann mit anpackt. Nur wenn wir mit aller Kraft auf unser Ziel hinarbeiten, wird es uns gelingen, diese Insel zu erobern.« Er schüttelte eine Faust zornig Richtung Himmel. »Niemand wird uns daran hindern können! Niemand!«
    Die Frauen und Männer applaudierten und johlten. Erst verhalten, dann immer frenetischer. Sie trieben sich gegenseitig an, sprachen sich Mut zu, verfielen in eine fast hysterische Begeisterung.
    Nanette duckte sich hinter Boris und lächelte. Sie hatte eine gute Wahl getroffen. In dem Russen steckte mehr, als man glauben mochte, und in ihren Händen war er dennoch weich wie Wachs.
    »Du wirst verstehen, dass ich mit meinem Bauch nicht viel helfen kann?«, fragte sie flüsternd. »Ich darf doch das Leben des ersten Kolonisten des Schelflandes nicht gefährden, oder?«
    »Natürlich nicht«, sagte Boris und umarmte sie zärtlich. »Du brauchst Ruhe. Ich werde dafür sorgen, dass dir nichts fehlt. Niemals.«
    »Es ist schön,

Weitere Kostenlose Bücher