2354 - Kolonnen-Geometer
Herrscherin, Das alles wüsste ich längst, wenn ich nur die Zeit gefunden hätte, entsprechende Auskünfte einzuholen, sagte Jaghiro sich. Neben' Ovo Ynshuune kam er sich ungebildet vor mit seinem einseitigen Wissen, das sich auf wenige Generationen, den Bau und das Bautenland bezog. Über die anderen Völker der Kolonnen-Fabrik wusste er so gut wie nichts, und das Wenige bestand wohl unter anderem aus Vorurteilen.
Erleichtert stellte er fest, dass auch Ovo ihm da nicht viel weiterhelfen konnte. Sie schwärmte von dem neuen Wissen, das die Ausbilder ihnen über die Aufgabe vermittelten, die sie am Ziel erwartete. Bei diesem Thema lagen sie beiden auf derselben Wellenlänge, und sie genossen den Meinungsaustausch lange und ausgiebig. Als Ovo sich auf den Heimweg machte, erloschen im Bau die ersten erleuchteten Kammern, legten sich die Oahm'Cara nach und nach zur Ruhe.
Jaghiro begleitete Ovo Ynshuune hinaus vor die Halle. „Es wäre schön, wenn wir uns bei einer der nächsten Einsatzübungen sehen könnten", meinte sie zum Abschied. „Ich rede mit meinem Ausbilder", versprach Jaghiro. „Bestimmt lässt sich etwas arrangieren."
Als das Ynshuune-Mädchen hinter der Krümmung des Hauptbogens verschwand, kehrte er im Sturmschritt in seine Kammer zurück.
In dieser Nacht schwebte er mehr über den Wassersäcken, als dass er auf ihnen lag. Aber dann sah er am nächsten Morgen Ovo von weitem mit diesem armseligen Angeber Arfyss E'lhacc, und seine Welt der Leichtigkeit zerplatzte mit einem lauten Knall in seinem Kopf.
*
Sie standen vor einem Würfel, fast so hoch wie Ackan-Höhe und ebenso breit und lang. Seine Oberfläche schimmerte mattgrau. Vor dem hellen Anthrazit der Hangarwände fiel das Gebilde fast nicht auf.
Jaghiro suchte vergebens nach einem Fundament oder Stützen. Der Würfel schwebte in der Luft, ohne sich auch nur einen Deut zu bewegen. „In diesem Simulator werdet ihr ab sofort die meiste Zeit des Tages verbringen", erläuterte Gill Ashgu den über dreihundert anwesenden Oahm'- Cara. „Solange der Simulator in Aktion ist, legt sich ein Schutzfeld um den Hangar. Niemand darf herein oder hinaus."
Jaghiro sah, wie er gegen ein Metallplättchen an seinem Oberkörper drückte. Ein leises Singen drang vom Würfel zu ihnen herüber. Aus der Unterseite fuhr ein Tubus herab zum Boden. Eine Hälfte klappte auf, Gill Ashgu gab den vordersten der Oahm'Cara einen Wink. „Immer vier Personen auf einmal", wies er sie an. „Je. schneller ihr einschleust, desto mehr Bonuspunkte verzeichnet ihr auf eurem Konto."
Jaghiro tauschte mit Tenjo, Fadhiro und Gerlan einen kurzen Blick. Die Zeit des unbeschwerten Unterrichts und des Experimentierens war endgültig vorüber, das begriffen sie alle. Ab sofort diente alles dem einen Ziel. Bis die Sequin-Doar das Ende ihres Fluges erreichte, mussten sie fit für den Einsatz sein.
Der Wechsel vom Training zum Ernstfall des Einsatzes geschah dann über Nacht.
Jaghiro entdeckte Arfyss, der sich nicht um die Reihenfolge scherte. Er rannte auf den Tubus zu, hüpfte ins Innere und betätigte das Sensorfeld an der Wandung. Der Tubus schloss sich, aber er verschwand nicht nach oben.
Nach einer Weile öffnete er sich wieder. Ein Kraftfeld beförderte Arfyss ins Freie, über die Köpfe der Wartenden hinweg. Ganz hinten stellte es ihn ab.
Dröhnendes Geklapper der Mundzangen begleitete den Vorgang.
Geschieht ihm recht, dachte Jaghiro.
Soll er sich nur blamieren.
Gill Ashgu ergriff noch einmal das Wort. „Euer Einsatz ist nur dann sinnvoll, wenn ihr als Team agiert. Einzelaktionen führen nur zu Verzögerungen.
Die Kalbarone werden das nicht hinnehmen."
Wir brauchen Arfyss E'lhacc nicht!
Jaghiro hatte gute Lust, es laut hinauszuposaunen. Er war überzeugt, die Oahm'Cara würden ihm fast alle zustimmen. Aber dann dachte er wieder an das traurige Schicksal des Eigenbrötlers. Ashgu kannte es bestimmt ebenfalls. Jeden anderen hätte er bei einer solchen Eigenmächtigkeit vermutlich bestraft, Arfyss jedoch nicht.
War der Kerl deshalb so frech? Dass er sich für etwas Besseres hielt, wussten sie alle. Dass er ein Hochstapler war, auch. Wann kam endlich jemand, der ihm die Grenzen setzte, die er brauchte?
Wer soll das tun, wenn nicht wir?
Jaghiro empfand zu viel Abscheu, um sich dem Großmaul zu nähern. Lange würde er aber nicht auf Distanz bleiben können, denn Arfyss E'lhacc war längst nicht nur ein verschlagener Gleichaltriger, sondern auch ein ernsthafter
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