2357 - Camp Sondyselene
Tunnelröhre. Mit aller Konzentration fokussierte er auf das, was vor ihnen lag.
Alles andere geschah weit weg, jenseits der Tunnelmauern. Es ging ihn nichts mehr an.
Ushekka fühlte sich wohl. Am liebsten hätte auch er darum gebeten, vom Gift kosten zu dürfen. Aber irgendetwas hielt ihn zurück.
Vielleicht ein letzter Rest von Angst
18.
Der Nebel verzog sich allmählich.
Erstmals bekam Kirmizz das Inselgelände bei Tageslicht zu sehen. Es wirkte schäbig.
Altersschwach klappernde Drohnen sammelten Unrat ein, der weitflächig über die Wiesen verteilt war. Betrunkene schliefen ihren Rausch unter Bäumen aus.
Stumpf vor sich hin stierende jugendlich wirkende Kartanin setzten sich Drogenplättchen in die Armbeugen. Aus mehreren Büschen drang rhythmisches Stöhnen und Seufzen.
Kirmizz fühlte einmal mehr Verachtung für diese armseligen Wesen; sie vertändelten ihre Lebenszeit und hatten längst ihre Ziele aus den Augen verloren.
Schon die halbpubertären Kartanin, die einander aus billigen Folienheftchen über irgendwelche Berühmtheiten vorschwärmten, befanden sich auf einem falschen Weg. Das Leben, so wusste Kirmizz, hatte gänzlich andere Inhalte zu bieten.
Wenn er bloß wüsste, welche dies waren...
Sie näherten sich Vaco'Bau-Tay. Cajanthas neben ihm verhielt sich, so wie bereits gestern, ruhig und ängstlich.
Die Schlange der Wartenden war kurz.
Noch schien das Tagesgeschäft nicht richtig angelaufen zu sein. „Waffen bleiben draußen", sagte die Kassendame gelangweilt und gab einem der herumlungernden Schlägertypen einen Wink. Sie deutete auf Kirmizz Ausbeulung im Hosenbund.
Anstandslos ließ er sich sowohl den Strahler als auch das Messer abnehmen.
Unter Cajanthas' Vermittlung wechselten mehrere Geldkristalle „als Depotleistung" den Besitzer. Mit ein wenig Glück würden sie die Waffen nach dem Verlassen des Geländes zurückerhalten. „Es ist ruhig", sagte der Führer erleichtert, als sie die Hauptallee des Vaco'Bau-Tay betraten.
In der Tat, das war es. Nur wenige Kartanin lungerten herum oder gaben sich eher lustlos seltsamen Vergnügungen hin.
Mit korkenähnlichen Aufsätzen auf den Krallen traten sie gegeneinander an, ließen sich in einem meterhohen Trampolinkubus von Wand zu Wand schleudern oder gaben sich unter riesigen Virtu-Hauben der Simulation extrem belastender Kampfsituationen hin. In Käfigen liefen sie vor giftigen Schlangenspinnen davon.
Beim Sekundenboxen pumpten mehrere kräftige Jünglinge in einem Feld mit verminderter Schwerelosigkeit binnen kürzester Zeit alle Kräfte in blitzschnell geführte Hiebe. Soeben wurde ein Bewusstloser beiseite getragen; sein Gesicht war entstellt, in der Brust steckten zwei abgebrochene Krallen. Der Sieger wirkte nur unwesentlich besser beieinander. Zwei Helfer stützten ihn ins Freie.
Kirmizz meinte, bereits wieder den Duft der Erregung wahrnehmen zu können.
Noch war er gering und kaum zu registrieren, aber er wuchs an, griff nach dem stetig zunehmenden Strom vergnügungssüchtiger Kartanin und trieb manchen von ihnen in hemmungslose Raserei. Dennoch bedeutete dies alles Kirmizz noch zu wenig. Es mochte für seine Zwecke nicht reichen. Er benötigte eine Situation, die er keinesfalls einschätzen konnte und die ihn an den Rand seiner Kräfte führte. „Wir gehen zum >Pfotenflug"<, sagte er zu Cajanthas. „Das kann nicht dein Ernst sein!" Der Echsische blieb stehen. „Ich dachte, du machst Spaß, als du gestern Abend ..."
Kirmizz kümmerte sich nicht weiter um ihn. Mochte Cajanthas während der nächsten Stunde sehen, wo er blieb.
Schrille, klagende Töne drangen aus dem unübersichtlich verschachtelten Bau.
Klackern und Krachen folgten, besonders eindringlich über Außenlautsprecher übertragen. Ein Benutzer torkelte soeben aus dem Ausgangstor, eine Blutspur hinter sich herziehend und von besorgten Verwandten in Empfang genommen.
Kirmizz' Puls beschleunigte, sich, seine Nervosität stieg. Wenn irgendetwas in diesem Vergnügungspark ihm helfen konnte, dann war es der Pfotenflug
19.
Kantiran zog den Gleiter im Schutz des Deflektorschildes in einer weiten Kurve über die Stadt. Wie ein Krake griffen die Ausläufer von La Untique aufs umliegende Flachland hinaus. Insbesondere entlang des Diav und mehrerer seiner nahezu ausgetrockneten Nebenflüsse fädelte sich eine Wohnsiedlung an die nächste. Meist wirkten sie wie bessere Slums. Riesige Abfallhaufen, von Vogelschwärmen belagert, glänzten dazwischen im
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