236 - Gestrandet
von einem Deck zum anderen, bis er LC Cody, von sieben anderen hohen Tieren umgeben, im Planungsbüro fand. Er war ein Ausbund an Tücke: Der Patriot, den er gab, war so erschreckend gut, dass er einen gestandenen Theatermimen verblüfft hätte. So hätte ihm niemand einen Kontakt zur anderen Seite zugetraut.
Kenner schaute Cody ein wenig zu. Sein Id war rot, grün und gelb zugleich. Er schäumte mental vor sich hin.
Er wird noch eine Weile hier bleiben. Ich muss derweil in sein Quartier, das Serum holen. Vielleicht hilft es mir zu überleben, bis wir in Point Ellsworth sind… Gibt es da tatsächlich Chirurgen, die mir das Scheißding aus dem Kopf holen können? Und dann: – liegt im Pessimismus nicht das Heil? – Angenommen, er hat gelogen und doch nur eine Dosis der Droge mit an Bord gebracht? Mist. Bloß jetzt nicht daran denken. Die näher liegende Frage ist doch eher: Wie komme ich in seine vier Wände?
Zorn wallte in Kenner hoch. Die Vorstellung, Cody aus dem Weg zu räumen, kam ihm plötzlich gar nicht mehr kriminell vor. Der Mann hatte Stabsarzt Guilfoyle umgebracht! Was bildete dieser Arsch sich ein? Wie konnte man nur seine persönlichen Probleme einer ganzen Nation anlasten? Unglaublich…
Die Tür ging auf. Kenner nutzte die Chance und schlüpfte in seinen Körper zurück. Dort bemerkte er, dass die VENGEANCE nun heftig hin und her geworfen wurde. Außerdem schnappte er Meldungen auf: Über ihnen toste ein Sturm, den die Welt noch nicht gesehen hatte.
Kenner hastete durch die VENGEANCE. Die Männer an der Ortung sichteten riesige Walherden. Sie kreuzten ihren Kurs. Rear Admiral Clark bahnte sich einen Weg auf die Brücke und kämpfte sich zu Captain Hogan und Lieutenant Commander Savovic durch. Er sah besorgt aus.
Gleichzeitig schlingerte das Boot. Millionen Tonnen Stahl stöhnten auf. Ein mörderisches Knacken ließ die Männer und Frauen auf der Brücke erbleichen. Ein gedämpfter Aufschrei ertönte. Verhaltene Flüche folgten.
Hastig wurden Befehle hervorgestoßen. Männer und Frauen reagierten, gaben Meldungen ab, erkundigten sich via Headset auf anderen Stationen nach Schäden und Verlusten. Das Surren und Knistern ihrer Stimmen kündete von Panik. Alles riss sich am Riemen.
Kenner hörte, dass nie gemessene Stürme die Erde peitschten, ganze Wälder aus dem Boden rissen, Wolkenkratzer und Türme umwarfen und Mensch und Vieh das Fliegen lehrten. Die Meere schwappten übers Land. Die Südseeinseln waren überspült. Tanker- und Ozeanriesen funkten SOS. Niemand hatte Zeit, ihnen zu antworten.
Bob Kenner erreichte den Offizierstrakt. Menschen drückten sich in der qualvollen Enge an ihm vorbei, er sah Panik in ihren Augen. Niemand kümmerte sich um ihn.
***
9. Februar 2525, an der Eisgrenze
Soldat Hyacintha Hickey hielt die letzte Wache vor dem Morgengrauen. Die 23. CLARK JOHN dümpelte zwar inmitten des großen Sees, aber ihre Nerven waren mehr als angespannt. Sie umklammerte das M 16 und ließ ihre Blicke immer wieder über das gut dreihundert Meter entfernte Ufer schweifen, das in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen war. Hickey verfluchte den Umstand, dass ausgerechnet heute keine Polarlichter die Dunkelheit erhellten, denn dort draußen trieben sich Barschbeißer herum! Immer wieder hörte sie deren gefährliches Knurren, und es lief ihr dabei eiskalt über den Rücken.
Vor allem in den Morgenstunden, wenn die Nacht in den heraufdämmernden Tag überging, waren die Viecher am aggressivsten. Ihre Wache war also die weitaus gefährlichste – und das hatte sie nur dem Umstand zu verdanken, dass dieser verdammte Commander Drax sie übertölpelt hatte. Noch nie hatte sie einen Mann so schnell reagieren sehen! Dass sie deswegen eigentlich sauer auf sich selbst hätte sein müssen, verdrängte sie.
Strafwache hatte der Unter-Clark für sie angeordnet, weil sie unvorsichtig gewesen war. Denn hätte Drax terroristische Absichten gehabt, hätte ihr Verhalten ein halbes Dutzend Kameraden das Leben kosten können.
Soldat Hyacintha Hickey patrouillierte zusammen mit Mark Amour, der sich wegen Trunkenheit im Dienst ebenfalls mit Strafwache abfinden musste, auf dem Decksrand rund um das Fahrzeug. Amour befand sich gerade auf der anderen Seite. Als sie sich etwas über die Reling beugte, um per Augenschein die angehängte Transportplattform zu kontrollieren, gluckerte es unter ihr im Wasser.
Sofort ging Hickeys Herzschlag hoch. Sie entsicherte das Gewehr, hielt es nach unten und beugte
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