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2366 - Unter dem Kristallgitter

Titel: 2366 - Unter dem Kristallgitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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ins Freie zurück. Im Schneckentempo setzten wir unseren Weg fort: Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir ein Tal mit einer Kleinstadt.
    Ich schätzte die Zahl der Hütten auf über tausend. Wir entdeckten mehrere Gebäude, die aus Stein bestanden und bis zu drei Stockwerke besaßen. Als der Himmel sich verdunkelte, leuchteten in regelmäßigen Abständen Straßenlaternen auf. „Hier finden wir die Energiespeicher aus dem Schiff", wagte ich die keinesfalls abwegige Prognose.
     
    *
     
    Kurz vor der Stadt passierte es. Elfah Komo rannte plötzlich los. Der Boden dröhnte unter seinen Stiefeln. Der Haluter hielt auf einen Felseinschnitt zu und verschwand darin.
    Ich folgte ihm, um nach Möglichkeit das Schlimmste zu verhüten. Gewöhnlich sonderte sich ein Haluter schon Wochen vor der Geburt von seinen Artgenossen ab, suchte eine Höhle oder einen entlegenen Platz auf, wo er sich ganz auf seine neue Rolle vorbereiten konnte. In dieser Zeit fand in seinem Körper die hormonelle Umstellung statt, ohne die eine Geburt nicht möglich war.
    In der THARI hätte Komo alle diese Voraussetzungen gehabt einschließlich einer umfassenden medizinischen Betreuung. Auf Anghur Al-Tare fehlte alles. Er bremste den Vorgang zusätzlich, um die eingeleitete Notgeburt so lange wie möglich hinauszuzögern. Die künstliche Blockade schmerzte auch körperlich. Ich hörte ihn stöhnen. „Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich bin gleich da!", rief ich ihm hinterher.
    Er stand in dem Felseinschnitt an der hintersten Stelle, wo er kaum noch Platz fand. Seine Hände gruben sich in den weichen Sandstein und zermalmten ihn.
    Bald bildete das Gesteinsmehl einen Haufen um seine Stiefel. „Sprechen Sie!", versuchte ich ihm Mut zu machen. „Reden Sie sich alles von der Seele, was sie bedrückt!"
    Erst zauderte er, dann ergoss sich ein Wortschwall über mich. Alles, was ihn bewegte, versuchte er in Worte zu fassen, seine innere Not, aber auch seine Hoffnung, in dieser Stadt oder ihrer Nähe vielleicht Artgenossen zu finden.
    Andererseits wollte er durchhalten, bis wir dem Konvergenten Denker gegenüberstanden.
    Nicht nur sein Ordinärhirn leidet, auch sein Planhirn!, überlegte ich. Selbst wenn wir es eines Tages schafften und diesem Wesen gegenüberstanden, kam für ihn jede Hilfe zu spät. Ein paar Tage höchstens, das hatte er selbst gesagt. Dann musste er gebären, ob er wollte oder nicht.
    Elfah Komo litt furchtbare Schmerzen. Sie kamen schubweise, vergleichbar mit den ersten Wehen einer Menschenfrau. „In der Medobox Ihres Anzugs finden Sie bestimmt ein Schmerzmittel, mein Freund."
    Die drei Augen richteten sich auf mich, ihr Rot hellte sich für ein paar Augenblicke sichtlich auf. „Keine Medikamente, das wäre nicht gut für das Ungeborene", ächzte er. Seine Stimme hallte von den engen Wänden wider. „Dann lassen Sie uns gehen. Ich besorge in der Stadt alles, was Sie brauchen."
    „Das ist es ja gerade. Ich brauche nichts.
    Niemand kann mir helfen. Nicht in einer solchen Situation. - Atlan?"
    „Ja?"
    „Versprechen Sie uns, alles zu tun, damit das Kleine bei seinen Artgenossen aufwächst?"
    „Das ist für mich selbstverständlich.
    Bleiben Sie zuversichtlich, Komo. Wir schaffen es gemeinsam."
    Seine Pranken schlugen unversehens Löcher in die Felsen. Das Gestein splitterte nach allen Seiten. Ich sah zu, dass ich aus der Reichweite der scharfkantigen Geschosse kam.
    Der Haluter traktierte unaufhörlich die Steilwand. Ich zog mich zurück, blieb aber in Hörweite. Erst tobte er, als befände er sich in einer Drangwäsche. Danach wurde es still, und nach einer Weile hörte ich ihn leise flüstern. Er sprach mit dem Ungeborenen. Irgendwann rief er meinen Namen. „Ich bin hier vorn."
    Er kam, langsam und mit schleppendem Gang, ein riesiges Häuflein Elend.
    Halblaut lamentierte er über seine Dummheit, weil er seine letzten Kraftreserven vergeudete, statt sie für die entscheidenden Stunden der Geburt aufzuheben. „Sie sind alt, aber Ihr Körper ist noch immer in der Lage, sich zu regenerieren.
    Essen Sie ein paar Felsbrocken, wenn Sie die Dinger schon aus der Wand schlagen."
    Er starrte mich lange und - wie ich fand - verwundert an. „Muss man Arkonide sein oder Unsterblicher, um selbst in einer solchen Situation den Mut zu behalten?"
    „Es hängt wohl mit der langen Lebenserfahrung zusammen, die Sie im Übrigen auch besitzen", sagte ich. „Aber glauben Sie nicht, ich sei immer so.
    Manchmal kann ich ganz schön schwarzsehen.

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