2366 - Unter dem Kristallgitter
Zumindest bescheinigt mir das mein Extrasinn."
*
Hinter einem Felsvorsprung hoch über der Stadt hielten wir an. Von dem Plateau nebenan hatten wir einen guten Ausblick auf die Siedlung. Ich ließ Komo das Reittier da und machte mich zu Fuß auf den Weg.
Eine Viertelstunde später tauchte ich in das Gewimmel der Stadt ein, hörte den Händlern beim Anpreisen ihrer Waren zu und ließ mich vom Nachtwächter belehren, dass es höchste Zeit für eine Unterkunft war.
Ich erkundigte mich bei ihm nach unseren Freunden - aber wiederum ohne Erfolg.
Zumindest hatte der Nachtwächter keinen der Begriffe je gehört. „Kennst du wenigstens meinen Namen?
Ich heiße Atlan."
„Atlan aus Peltron? Ein fahrender Händler hat von dir erzählt."
Der Nachtwächter verschwand mit einer Verbeugung. Wenig später hörte ich ihn in einer Seitenstraße lauthals die Neuigkeit verkünden.
Ich ging langsam weiter und überlegte, was den Konvergenten Denker antrieb. War es die reine Menschenfreundlichkeit?
Die Anwesenheit der Terminalen Kolonne TRAITOR in der Milchstraße als Motiv für sein Handeln kam jedenfalls nicht in Frage.
Die Kultur auf Anghur Al-Tare existierte deutlich länger als das erste Gerücht über die Entstehung einer Negasphäre im Gebiet von Hangay. Immer wieder fragte ich mich, ob es andere Gefahren in Omega Centauri gab, von denen wir nichts wussten. Vielleicht - mittlerweile wollte ich nichts mehr ausschließen - kannten wir Wesen wie den Denker bereits. Gut möglich, dass wir es mal wieder mit Cynos zu tun hatten. In den vergangenen Dekaden waren wir immer wieder auf ihre Spuren gestoßen oder zumindest auf die von Wesen, die viel mit ihnen gemein hatten.
Cynos und Lemurer sind nicht die Antworten auf alle Fragen, belehrte mich der Extrasinn."
Das wäre auch ein bisschen einfallslos, nicht wahr? So simpel ist das Universum nicht.
Nicht einmal du, Arkonidenprinz, bist so einfach gestrickt, gab der Logiksektor zurück.
Die ersten Lemurer wurden auf mich aufmerksam. Sie folgten mir. Nach wenigen Minuten war die Gruppe auf über hundert Personen angewachsen. Neben einem Torbogen blieb ich stehen und stellte mich auf den Stein neben dem Durchgang. „Ich brauche eure Hilfe!", rief ich laut.
Das Frageund-Antwort-Spiel wiederholte sich.
Die Männer und Frauen interessierte nur meine Person, nicht meine Absichten. Sie versuchten, mich wenigstens für einen kurzen Augenblick zu berühren. Ich ließ es eine Weile zu, dann verschwand ich durch den Torbogen und eine schmale Gasse. Sie versuchten mich zu verfolgen, aber da geriet ich schon aus ihrem Blickfeld. Als ich im Schatten eines Hauses anhielt, strich ein Luftzug an mir vorüber. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. Es war windstill, deshalb fiel es mir deutlich auf.
Deine Sinne spielen dir einen Streich. Da war niemand.
Inzwischen hielt ich alles für möglich.
*
Mein Armband zeigte den 10. November 1345 NGZ. Elf ah Komo ging es mit jedem Tag schlechter. Der Haluter litt unter Appetitlosigkeit. Ich musste ihn dazu überreden, wenigstens ein paar Felsbrocken in sich hineinzustopfen, um dem Körper die nötige Energie zuzuführen. „Denken Sie an Ihr Kind. Es ist dankbar für jede Wohltat, die Sie ihm erweisen."
Der Appell an seine Mutterinstinkte schien zu wirken. Er entwickelte Heißhunger auf Obst und Gemüse, und in der darauf folgenden Nacht gelüstete es ihn nach herzhaftem Granit. Diesen Wunsch konnte ich ihm nicht erfüllen. Aber ich besorgte ihm jede Menge roten Sandstein, den ich in großen Säcken auf dem Rücken des Legany transportierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Haluter sich ein Versteck weiter oben im Tal eingerichtet. Er wollte nicht so nah unter den Blicken der Lemurer warten, bis ich die nötigen Auskünfte eingeholt hatte.
Die Aussichten waren nicht besonders. Ich beschloss, es ihm zu verschweigen. In der Nähe existierte ein Gleis der Ligne, aber auch hier war seit zweihundert Tagen kein Zug vorbeigekommen.
Als wir rasteten, entwickelte Elfah Komo typische Eigenarten eines schwangeren Haluters: Er grub sich eine Höhle in das weiche Gestein, damit er sich an einen Ort zurückziehen konnte, wo er ungestört war.
Am folgenden Nachmittag tauchte plötzlich ein Lemurer auf. „Ich bin gekommen, um Atlan aus Peltron zu sehen!"
„Ich bin Atlan", sagte ich. „Warum suchst du mich?"
Der Unbekannte in seinem gewebten Umhang und den Lederstiefeln sah nicht wie ein typischer Lemurer aus. Selbst die Städter kleideten
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