2371 - Der Sternenfindling
sich darüber so wenig Gedanken wie möglich zu machen. Er ging mit den Prospektoren hinaus, im schweren gepanzerten Raumanzug, und half ihnen bei der Suche nach Schätzen. Sie suchten in erster Linie nach Hyperkristallen, auch in den kleinsten Mengen.
Die Suche war mehr als gefährlich. In den Trümmern konnte man zwar die Schutzschirme aktivieren, doch die Feinortung, ohne die hier nicht auszukommen war, war dann praktisch wirkungslos. Natürlich konnte man als besonders Wagemutiger auch die Schirme desaktivieren und sozusagen „von Hand" suchen, wobei gegen die permanenten Einschläge von Mikrometeoriten nur die Panzerung der Anzüge half. So oder so war es ein ewiges Hasardspiel. Jeder neue „Ausflug" war ein neues Risiko, ein neues Glück - oder ein Trip ohne Wiederkehr.
Eine endlose Suche mit unzureichenden Mitteln, harte Arbeit, meist ohne Glück und immer die Gefahr im Nacken. Doch anders ging es nicht, wollten die Prospektoren mit halbwegs gut gefüllten Laderäumen zurückkehren.
Anders ging es nicht....
Außer für Immentri Luz.
Der Sternenfindling mit dem Aussehen eines Lemurers war anders. Er hatte es schon bei seinem ersten Verlassen des Schiffes gemerkt. Wonach die Prospektoren in mühevoller und meist fruchtloser Kleinarbeit suchen mussten, flog ihm geradewegs zu. Er musste nicht suchen, messen und orten. Er spürte die Hyperkristalle, selbst durch dicke Schichten von Gestein hindurch. Er nahm fünfdimensionale Vorgänge und Gegebenheiten mit einem geheimnisvollen Sinn wahr, der ihn stärker von den Raphanen unterschied als die Farbe der Haut. Er „erspürte", was andere aufwändig messen mussten, er war „hyperfühlig", wie er es bei sich nannte. Es war für ihn selbstverständlich, dass er diese Gabe in den Dienst ihrer Suche stellte und die Prospektoren davon profitieren ließ.
So konnte er vielleicht seinen Dank an sie abstatten. Er fühlte sich immer noch in ihrer Schuld. Sie hatten ihn geborgen und ihm Nähe gegeben. Sie hatten seine Fragen beantwortet - einige davon - und ihn bei sich aufgenommen. Jetzt konnte er dafür sorgen, dass sie ihre Ausbeute steigerten und mit einem ordentlichen Gewinn zu ihrer Basis zurückkamen.
Neu ...
Nein, seine Gabe war nicht neu. Natürlich nicht. Er hatte sie immer besessen, so etwas entstand nicht aus dem Nichts. Er war immer schon hyperfühlig gewesen und konnte deshalb kein normaler Lemurer sein.
Das Karussell in seinem Kopf begann sich wieder zu drehen. Er dachte an die Schock-Erlebnisse, die ihn aus seinem Totenschlaf geweckt hatten. Und dann wieder vor vier Tagen, eben nur schwächer und ohne erkennbare Konsequenz. Waren es Hyperschocks gewesen? Hatten sie mit dem Sonnentransmitter zu tun, der angeblich seit ewigen Zeiten nicht mehr benutzt worden war?
War etwas angekommen oder abgestrahlt worden?
Hatte er etwas damit zu tun? Hatte er geweckt werden müssen, weil er etwas zu tun hatte, was damit in Zusammenhang stand?
Und falls es so war, falls etwas materialisiert war - sicher wurde doch darüber in den Medien berichtet. Warum also ignorierte er es? Was blockierte ihn?
Blockade, Vorhang, Hemmnisse, wohin er blickte. Sein ganzes Leben schien nur daraus zu bestehen. Über allem, was ihn betraf oder betreffen sollte, schien ein dunkler Vorhang zu liegen. Und seine Angst hinderte ihn daran, ihn zu heben.
Was für ein teuflischer Kreis war das?
Die Gedanken machten ihn fast verrückt.
Immentri Luz steigerte sich in seine Arbeit in der Trümmerwolke hinein, ließ kaum eine Gelegenheit aus, das Schiff zu verlassen, war wie im Fieber. Er achtete nicht auf die Warnsignale seines Körpers, wollte nur seine Gedanken betäuben. Er durfte nicht denken. Etwas lauerte hinter dem Vorhang des Vergessens. Etwas Furchtbares, Schreckliches, Grauenvolles.
Er hatte Angst davor, wollte es nicht sehen, nicht wecken, nicht wissen...
Und doch musste er es...
Der innere Konflikt und die körperliche Überlastung brachten ihn dem Zusammenbruch nahe, und es war Telson Krane, der ihn endlich stoppte.
*
Sie saßen in Kranes Kabine, die nicht größer und schöner war als die jedes einzelnen Besatzungsmitglieds. Wie alle anderen teilte er sie sich mit einem aus der Crew. Allerdings war dieser eine eine Frau, nämlich Iana Sorbett, die kurzhaarige und scheinbar meist schlecht aufgelegte Pilotin der QUAELE. Dass sie ein Verhältnis hatten, war dem Sternenfindling bis jetzt nicht aufgefallen. Und nun störte es ihn nicht. Erstens ging es ihn nichts an, und
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