239 - An der Pforte des Hades
uns hergebracht«, bemerkte sie trocken. Sie streifte ihren nassen Fellumhang ab und ging hinüber zum Feuer. Der Sebezaan neben Matt spitzte die Ohren und folgte ihr. Er sah aus wie ein wandelnder rotbrauner Flokati. Nur um einiges gefährlicher.
Unschlüssig sah Matt sich um. Ob der Fremde hier allein lebte? Vielleicht war dies ein Vorposten der britischen Station. Wieder fiel ihm das leise Plätschern auf. Er ging dem Geräusch nach und entdeckte in der Nähe des Höhleneingangs hinter dicken Vorhängen eine kleine Grotte. Ein Wasserrinnsal floss über eine ausgewaschene Wand. Was davon nicht im Boden versickerte, sammelte sich in einem Steinbecken. Daneben gab es eine Feuerstelle, über der ein großer Kessel hing. Ein halbes Dutzend großer und kleiner Zuber umringten eine Holzbank, auf der fein säuberlich gestapelt Tücher aus groben Leinen lagen.
»Ihr könnt meine Badehöhle benutzen«, ließ sich der Gastgeber in Matts Rücken vernehmen. Seine Stimme klang abweisend und der Mann aus der Vergangenheit spürte deutlich, dass sie hier unwillkommen waren. Trotzdem waren sie im Moment auf die Hilfe des wenig freundlichen Pelzzottels angewiesen. Also sollte man erst einmal eine Konversation in Gang bekommen, die ihre Situation klärte, dachte Matt und drapierte den Vorhang in seine ursprüngliche Position. Dann wandte er sich mit einem breiten Lächeln dem Fremden zu.
Doch zunächst brachte er kein einziges Wort heraus. Der Fremde hatte sich inzwischen aus seiner Vermummung geschält. Vor Matt stand nun ein gut gebauter Mann, der kaum größer als Aruula war. Seine zotteligen Haare und der starke Bartwuchs machten eine genaue Schätzung seines Alters schwer. Aber das war es nicht, was Matt irritierte, sondern die verblüffende Ähnlichkeit mit einem Bergsteiger, über den er in den Neunzigern des zwanzigsten Jahrhunderts viel gelesen hatte und der angeblich bei seinen Bergtouren dem sagenumwobenen Yeti begegnet war. Das Aussehen ihres Gastgebers war tatsächlich eine wilde Mischung aus Reinhold Messner und dem Yeti.
»Ich heiße Chacho«, sagte der Fremde unvermittelt und setzte sich an den Tisch. »Wer seid ihr und was habt ihr in dieser gottverlassenen Gegend zu suchen?« Er streute so etwas wie Brotkrummen auf einen kleinen walförmigen Stein, der auf der Mitte des Tisches lag und Matt bislang nicht aufgefallen war. Dann zog er sich die Schüssel mit dem undefinierbaren Brei heran und begann gierig zu essen.
Matt setzte sich zum ihm. »Mein Name ist Matt Drax, und das ist Aruula«, er deutete auf die Barbarin, die inzwischen auf der anderen Seite von Chacho Platz genommen hatte. »Wir waren auf dem Weg zur britischen Station, als der Sturm uns erwischte. Kannst du uns sagen, wie weit es noch dorthin ist?«
Chacho antwortete nicht. Aufmerksam glitt der Blick seiner braunen Augen über Matts Gesicht, hinunter zur marsianischen Seidenspinnenjacke und dann hinüber zu Aruula. Sie betrachtete er länger als Matt. Besonders die Zeichnungen auf ihrem Körper schienen ihn zu interessieren. Schließlich schob er sich den nächsten Löffel Brei in den Mund. »Gehört ihr zusammen?«, fragte er die Barbarin kauend.
»Maddrax ist mein Gefährte.« Aruula nahm ihm wie selbstverständlich den Löffel aus der Hand. »Kannst du uns helfen, zu der Station zu kommen, wenn der Sturm vorüber ist?« Staunend beobachtete Matt, wie seine Liebste sich ein Haar ausriss und es auf den kleinen walförmigen Stein legte. Dann begann auch sie zu essen.
Chacho lächelte. »Das kann ich wohl. Nur wird dieser Sturm einige Tage anhalten.«
Matt lehnte sich erleichtert zurück. Offensichtlich war es Aruula gelungen, das Eis zwischen ihnen und diesem bärbeißigen Zottel zu brechen. Entspannt überließ er jetzt ihr die Gesprächsführung. Nach und nach erfuhren sie, dass Chacho seit Jahren alleine mit seinem Tier in diesem Höhlensystem lebte. Er war ein Einsiedler, der nur selten unter die Menschen ging. Wenn überhaupt, dann trieb er Handel mit den Leuten von Georgshütte.
Mit was er handelte, verriet er nicht. Mit den Briten oder Clarks wollte er nichts zu schaffen haben – was Matt absurd erschien, denn schließlich benutzte er deren Sprache. Auch kam es ihm so vor, als würde Chacho es absichtlich vermeiden, ihnen Auskunft zu geben, wo genau sie sich befanden. Als er sich erkundigte, in welcher Richtung Nischni-Nowgorod läge, erntete er einen wütenden Blick. »Ich rate dir, diesen Namen nie mehr in meiner Gegenwart
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