239 - An der Pforte des Hades
auszusprechen!«, knurrte der Einsiedler.
Matt machte sich nicht allzu viel aus der Reaktion ihres Gastgebers. Im Laufe der letzten Stunde hatte es sich gezeigt, dass er sich ihm gegenüber ausgesprochen schroff verhielt und nur gegenüber Aruula Freundlichkeit zeigte. Matt schnappte sich einen der Becher, füllte ihn mit goldgelber Flüssigkeit aus einem Krug und überließ es wieder Aruula, Näheres in Erfahrung zu bringen.
Die Barbarin erzählte Chacho, dass sie die Fischmenschen aufsuchen wollten, die man angeblich bei den Briten gesichtet hatte. Aufmerksam hörte der Einsiedler zu, während sie ihm die Hydriten beschrieb. Erst als Matt noch einen weiteren Becher von der süßen, berauschenden Flüssigkeit getrunken hatte, erfuhren sie wo sie waren,
»Ihr befindet euch im Grenzland zwischen dem Antarctic Empire und Clarkland. Ich werde euch mit meinem Schlitten in die Nähe der britischen Station bringen. Doch der Blizzard wird noch mehrere Tage andauern. Solange könnt ihr bei mir bleiben.« Jetzt warf er Matt einen strengen Blick zu. »Allerdings nur, wenn ihr euch an bestimmte Bedingungen haltet: nämlich mich in Ruhe lasst und euch von der hinteren Höhle fern haltet.«
Matt nickte gelassen und hob den Becher. Die nächsten Tage würde er mit diesem Zottel schon zurecht kommen. Ihm war angenehm warm von dem süßen Gebräu und er war müde.
Während Aruula sich in die Badegrotte zurückzog, deutete der Einsiedler auf die Bettstatt neben dem Feuer. »Dort könnt ihr schlafen.« Damit erhob er sich und entfernte sich in Richtung der hinteren Höhle. Bevor er hinter dem Vorhang verschwand, wandte er sich nochmals zu Matt um. »Wenn ich eine solche Frau hätte, würde ich sie nicht den Gefahren dieses verfluchten Landes aussetzen«, raunte er ihm grimmig zu.
***
In der Eiswüste, 2514
»Sie nähern sich dem Schneebrett.« Wakaido flüsterte, obwohl die Angreifer sich noch viele Speerwürfe entfernt durch die Eiswüste pflügten. Mindestens vier Motorschlitten und ein Hovercraft waren zu hören. Die Pachachaos hatten sich hinter ihrem Dorf einen Wall aus Schnee und Eis gebaut. Die Iglus, die vor ihnen in der Morgensonne glitzerten, waren bis auf die Gemeinschaftshütte leer. Dort wartete Chacho mit vier jungen Kriegern.
Nachdem am vergangenen Tag Pachachao-Späher die Feinde gesichtet hatten, wählten Wakaido und der Göttersprecher fünf Frauen und fünf Männer aus, um Kinder, Alte, Schwangere und Kranke samt dem Hab und Gut der Pachachaos in Sicherheit zu bringen. Noch in der gleichen Nacht waren sie mit den beiden Schlitten zur Risswelt aufgebrochen, die der Pacho als neue Wohnstatt seines Volkes bestimmt hatte. Seine schwangere Schwiegertochter Lityi war auch unter ihnen. Sie hatte geweint beim Abschied, und um sie zu trösten, hatte sein Sohn ihr Sable mitgegeben.
Jetzt erwartete Wakaido neben einem Dutzend Männer und Frauen den Feind. Sein Blick glitt über die antik anmutenden Waffen seiner Leute: Harpunen, Speere, Dolche und Schleudern. Die Einzigen, die ein Gewehr besaßen, waren er und sein Sohn. Und da waren noch die Sprengsätze, die Chacho in den leer stehenden Hütten platziert hatte. Rund um das Dorf waren sie mit hellen Walsehnen verbunden. Ein falscher Schritt und das Schwarzpulver ging hoch.
Wakaido hoffte, dass die Fahrzeuge der Nischnis in einer Reihe anrollen würden. Das vergrößerte die Chance, dass sie allesamt in die Eisschlucht unter dem künstlichen Schneebrett stürzen würden. Dennoch hatte er ein ungutes Gefühl. Wenn dieser verfluchte Kommandant Andreij Baschk die Gegner anführte, so würde er sich gut vorbereitet haben für einen Angriff auf das Dorf.
Der Göttersprecher, der Wakaidos Nervosität bemerkt hatte, legte ihm beruhigend seine Hand auf die Schulter. »Selbst wenn es uns nicht gelingt, alle Nischnis zu töten, so haben unsere flüchtenden Brüder und Schwestern einen halben Tag Vorsprung und damit große Chancen, die Klippen der Risswelt vor ihren Verfolgern zu erreichen. Vertraue auf die Göttin.«
Wakaido dachte über die Worte nach. Der Göttersprecher hatte recht. Nur den Pachachaos war es möglich, die Eisklippen zu passieren, die die Risswelt umgaben. Keiner der Nischnis würde lebend da durchkommen. Trotzdem hatte er vor, so viele wie möglich zu töten. Und anscheinend war die Mamapacha auf ihrer Seite: In der Ferne war das Donnern des einbrechenden Schneebrettes zu hören. Der Pacho spürte, wie der eisige Boden unter ihm erzitterte.
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