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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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oder das Brot?“ fragte Taldscha, als sie seine Worte hörte.
    „Das Brot!“ antwortete er und machte dabei ein Gesicht, das in lauter Wonne glänzte.
    „Des Brotes wegen haben wir euch ja in dieses Haus geführt. Ihr sollt den ‚Willkommen‘ essen, und der besteht aus Salz und Brot. Erlaubt, daß ich euch gebe!“
    Sie ging an den Herd, auf dem die noch warmen, duftenden Brote lagen, bestreute eines mit Salz und brach es dann für uns vier Personen in ebenso viele Teile. Die üblichen Worte, die sich auf die Rechte und Pflichten des Wirtes und des Gastes beziehen, wurden gegenseitig ausgewechselt, und dann aß jeder seinen Bissen.
    „Noch ein Stück, aber ein ganzes!“ bat Halef.
    Taldscha erfüllte diesen Wunsch mit Wonne, sah lächelnd zu mir herüber und fragte:
    „Auch du noch eins, Effendi?“
    „Ja, bitte, auch ein ganzes!“ antwortete ich.
    Sie holte uns das Gewünschte. Da setzte sich Halef gleich auf den ersten besten Bastdeckel nieder, der auf der Erde lag, und begann zu schmausen.
    „Komm, Sihdi!“ sagte er, indem er ein wenig zur Seite rückte, um mir Platz zu bieten. „Setz dich mit her! Ich stehe nicht eher wieder auf, als bis ich fertig bin!“
    Ich folgte dieser Aufforderung ungesäumt. Das war allerdings im höchsten Grade unzeremoniell gehandelt, aber der Scheik und seine Gattin freuten sich darüber, und später äußerte man sich meinem kleinen Hadschi gegenüber, daß wir uns durch die ungezwungene Aufrichtigkeit, mit der wir ihre Backkunst ehrten, die Herzen aller Anwesenden im Nu gewonnen hätten.
    Hierauf entfernte sich Taldscha für kurze Zeit. Als sie zurückkehrte, hatte sie einen großen Steinkrug in der einen und vier kleine chinesische Porzellantäßchen in der anderen Hand. Die letzteren gehörten jedenfalls zu ihrem kostbarsten Besitz.
    „Der ‚Willkommen‘ wird bekanntlich nicht nur gegessen, sondern auch getrunken“, sagte sie. „Ich bringe euch also den Simmsemm, der hierbei üblich ist.“
    Sowohl Simm wie Semm heißt: Gift; Simmsemm bedeutet also Doppelgift. Das klang nicht sehr verführerisch. Die Flüssigkeit, die sie in die Täßchen goß, war durchsichtig hell und roch sehr stark nach Spiritus. Der Scheik sprach einige begrüßende und bewillkommnende Worte und trank sodann seine Tasse in einem Zug aus. Halef antwortete ihm in seiner höflichen Weise und schluckte dann das Zeug ebenfalls mit einem Mal hinab. Ein gewaltiger Hustenanfall war die Folge. Auch Taldscha trank aus; ich sah aber, daß sie sich nur sehr wenig eingegossen hatte. Leider durfte ich dieses messerscharfe Getränk nicht fortschütten; es mußte getrunken werden, weil es eben der ‚Willkommen‘ war. Ich tat es so langsam wie möglich und darf der Wahrheit gemäß gestehen, daß ich bis hierher noch niemals etwas so ätzend Widerliches getrunken hatte.
    „Verzeihung, o Scheik!“ bat Halef, als er seinen Hustenanfall überwunden und die ihm aus den Augen perlenden Tränen abgetrocknet hatte. „Ich habe keineswegs die Absicht, diese Art, uns willkommen zu heißen, zu tadeln, aber ich muß dich wenigstens bitten, mir zu sagen, was für ein Höllentrank und Teufelswasser das ist, damit ich es später verhüte, mein Inneres nach außen und mein Äußeres nach innen wenden zu müssen!“
    „Das ist Simmsemm“, antwortete der Gefragte. „Ihr habt den Namen bereits gehört. Dieser Trank wird aus viel Getreide und wenig Wurzelwerk gemacht und pflegt nur starken Leuten zu bekommen. Ich trinke ihn sehr gern!“
    „Leider ja!“ tadelte seine Frau, indem sie freundlich warnend den Finger hob. „Wer seinen Stamm dadurch glücklich machen will, daß er ihm mit gutem Beispiele vorangeht, der darf solches Zeug nicht trinken. Gott hat dem Menschen das Getreide gegeben, daß er das Brot, nicht aber Gift daraus bereite. Wer seinem Nächsten Gift anstatt des Brotes gibt, der tut, was er nicht soll! Wie gut schmeckt euch dieses Brot, und wie wohl wird es euch bekommen! Wie häßlich dagegen schmeckt dieser Simmsemm, der jeden, der ihn oft genießt, in bösen Rausch oder schlimme Krankheit stürzt! Und doch sind beide, der Segen und der Fluch, aus ganz denselben Früchten und Körnern gemacht! Hast du schon einmal hierüber nachgedacht, Effendi?“
    „Schon oft, schon oft!“ antwortete ich.
    „Wie mag es nur kommen, daß der Mensch sich so energisch bemüht, den Segen, den Gott ihm sendet, in Fluch zu verwandeln? Und hat er das getan, so pflegt er dieses sein Werk noch dadurch zu krönen, daß er

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