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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reiterstandbild zu errichten. Das Pferd war ja schon da! So wurden Kosten erspart. Und zweitens beschlossen wir, ihm nicht eine tote Figur, sondern eine wirkliche, lebendige Gestalt zu geben. Tote Figuren sind außerordentlich teuer; Menschen aber hat man überall ganz oder fast umsonst. Wir verzichteten also darauf, uns Künstler und Steine aus der Ferne kommen zu lassen, und verpflichteten den längsten und breitesten Ussul, der sich finden ließ, als Mir von Ardistan. Er bekam einen roten Mantel mit weißen Rändern und einen großen Turban mit Reiherfedern. Lohn beansprucht er dafür nicht; er tut es um die Ehre. Sooft, wie heute bei eurem Einzug, die Gelegenheit ist, mit unserem Mir von Ardistan zu glänzen, setzt dieser Mann den Turban auf, wirft sich den Mantel um und steigt auf das Pferd. Da bleibt er sitzen, bis die festlichen Augenblicke vorüber sind, und steigt dann wieder herab. Hat er seine Sache gut gemacht und jede Bewegung vermieden, so daß man ihn wirklich für eine leblose Figur halten konnte, so wird er hierfür besonders ausgezeichnet, indem wir ihm erlauben, am Festessen teilzunehmen. Hat er aber Fehler gemacht, so wird ihm diese Ehre versagt. Seht! Da ist er abgestiegen. Nun steht er da und wartet, ob wir ihn einladen werden oder nicht.“
    „Wirst du es tun?“ fragte Halef.
    „Ja, denn er hat sich heute sehr gut gehalten. Den außerordentlich langen Säbel, der an seiner Seite hängt, hat er sich selbst besorgt. Er sagt, dies gehöre zu seiner hohen Würde. Er hat sich nämlich so in die ‚hohe Würde‘, die er darzustellen hat, hineingelebt, daß er sie bereits für seine eigene hält und sich auch dann als Mir von Ardistan gebärdet, wenn er nicht auf dem Pferd sitzt. Man sagt deshalb, er sei im Kopf irr geworden. Besonders scheinen ihn die verschiedenen Palmen-, Lotos-, Löwen-, Tiger- und andere Orden, die er auf seiner Brust trägt, in den Wahn versetzt zu haben, daß er alle die Tugenden besitze, für welche sie verliehen werden sollen.“
    „Sind sie denn echt?“ erkundigte sich Halef, der gern alles wissen wollte.
    „Selbstverständlich! Sie sollen eigentlich nur Belohnungen sein, nicht Bezahlungen; aber die Beherrscher von Ardistan sind stets der Ansicht gewesen, daß man gewisse, wichtige Verdienste viel besser vorher als nachher belohne. So wurden auch die Scheiks der Ussul, sooft es sich um hohe Wünsche handelte, mit Orden bedacht, die sich nach und nach zu einer ganzen Menge angesammelt haben. Der Mir von Ardistan, nämlich dieser hier, nicht der richtige, kam auf den Gedanken, sie jedesmal anzulegen, wenn er in seinen Würden zu erscheinen hat. Wir haben es ihm erlaubt. Er darf sie sogar noch während des Essens tragen, und dann dauert es immer tagelang, bis er sich wieder herabläßt, mit jemand zu sprechen. Daß der Mantel die flimmernden Auszeichnungen verdeckt, ist für ihn eine wirkliche Qual. Darum wirft er ihn stets schon oben ab, wenn er noch auf dem Pferd sitzt, damit man sie so bald wie möglich sehe. Soll er sie euch zeigen?“
    „Ich bitte dich darum!“ antwortete Halef, den es in hohem Grade interessierte, sie betrachten zu dürfen.
    Taldscha winkte dem Mann. Er kam langsam und, seiner Ansicht nach, in fürstlicher Haltung bis zu uns her.
    „Ich bin der Mir von Ardistan!“ sagte er sehr hoch von oben herunter.
    „Und ich“, antwortete Halef, „ich bin –“
    Da schnitt der Mann ihm mit einer geradezu gebieterischen Armbewegung das Wort ab und befahl ihm:
    „Schweig! Was du mir sagen willst, das weiß ich alles schon längst. Ich habe jetzt keine Zeit, es abermals zu hören!“
    Halef sah mich mit einem Blick an, in dem die Absicht lag, eine geharnischte Antwort zu geben; ich winkte aber ab. Taldscha zeigte und benannte uns die einzelnen Orden, ebenso auch die Namen der Scheiks, die sie empfangen hatten. Alle diese Auszeichnungen stammten nur vom Mir von Ardistan, von keinem andern Fürsten, waren aus unechtem Metall gefertigt und mit unechten Steinen geschmückt, ein Umstand, der meine Achtung vor diesem hohen Herrn nicht gerade förderte. Als wir mit der Betrachtung der Dekorationen fertig waren, sagte Taldscha zu dem gegenwärtigen Träger derselben:
    „Du hast deine Sache heute gut gemacht; du darfst also mit uns essen!“
    Er gab durch eine herablassende Handbewegung seine gütige Genehmigung zu erkennen.
    „Und kannst nun gehen!“ fügte sie hinzu.
    Da warf er einen vernichtenden Blick auf uns zwei kleine Kerle und schritt majestätisch

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