24 - Ardistan und Dschinnistan I
geblieben. Stumm, vollständig stumm? Doch nein! – Ein zweiter Versuch war noch gemacht worden, wenn auch nicht auf architektonischem, sondern auf mehr rein plastischem Gebiet. Nämlich zwischen den breiten Turmmassiven, gerade auf dem Mittelpunkte des freien Platzes, an dem sie lagen, stand auf einem hohen Backsteinunterbau die nicht ganz übel gelungene Statue eines gesattelten Pferdes, welches aus starken Holzteilen zusammengesetzt und dann durch Farbe vor den zerstörenden Angriffen der Witterung geschützt worden war.
Massig, schwer und wohlbeleibt, so stand das Pferd hier auf seinem Postament. Es war, wie gesagt, nicht übel geraten, doch wenn man den Kopf nur ein ganz wenig veränderte und hüben und drüben ein Horn ansetzte, so war es ein Ochse. Aber daß es keinen Ochsen, sondern ein Pferd vorstellen sollte, ersah man schon daraus, daß es einen Reiter trug, wenigstens grad in dem Augenblick, als wir den Platz erreichten. Dieser Reiter war lebensgroß, das heißt, nach den Maßen der Ussul. Das Pferd aber war überlebensgroß, und darum erschien der Reiter viel zu klein für dieses außerordentlich wohlbeleibte Roß. Man fragte sich, wie der Künstler auf so ein Mißverhältnis hatte kommen können. Und auch über einen noch anderen Punkt war man sich bei Betrachtung dieses Denkmals nicht klar, nämlich über das Material, aus dem man den Reiter verfertigt hatte. Das Pferd bestand, wie bereits gesagt, aus Holz. Der Stoff aber, aus dem die darauf sitzende Gestalt bestand, war nicht zu erkennen, denn die Figur war vollständig bekleidet und mit wirklichen Kleidungsstücken angetan. Auch das Gesicht verriet das Material nicht, weil ein riesiger Bart die Züge unkenntlich machte. Auf dem Kopf des Reiters saß ein heller, großer indisch gewundener Turban mit einem sehr hohen Agraffenbusch aus Reiherfedern. Die Gestalt war in eine Art von Krönungsmantel eingehüllt, der aus rotem Zeug gefertigt, am Kragen und längs des unteren Saumes mit weißem Pelz besetzt war. Infolge der großen Länge und Weite dieses Mantels bedeckte er nicht nur die ganze Figur des Reiters, sondern auch noch den hinteren Teil des Pferdeleibes; man sah nicht einmal die Steigbügel mit den Füßen.
„Ein Denkmal!“ sagte Halef erstaunt. „Hier bei den Ussul! Also von Kunst haben sie auch etwas. Wer hätte das gedacht! Den Reiter sehe ich mir noch genauer an. Wie schade um den schönen roten Mantel und um den weißen Turban mit dem Federbusch, wenn es regnet! Jetzt haben wir leider keine Zeit dazu, ihn aufmerksam zu betrachten!“
Das war richtig. Denn der Scheik hatte, sobald die beiden Türme in Sicht kamen, sein Pferd in Trab gesetzt, und wir mußten in demselben Tempo folgen. Er wollte hierdurch den Eindruck erhöhen, den wir zu machen hatten. War doch der große Platz ebenso wie seine Umgebung mit einer bedeutenden Menschenmenge derart angefüllt, daß wir nur noch Raum für uns und die Ältesten fanden, um hindurch zu gelangen; die übrigen mußten bleiben, wo sie waren.
Alles war still. Diese Schweigsamkeit war mehr als musterhaft zu nennen; sie hatte etwas Enttäuschendes, fast gar Beängstigendes. Doch fiel sie nur uns beiden auf; die Einheimischen waren das gewohnt. Übrigens wurden wir zwei durch das rund um uns her vorhandene Menschengedränge nicht im geringsten belästigt. Man hielt sich der Hunde wegen in möglichst großer Entfernung von uns.
Als wir uns dem Tor des ‚Palastes‘ näherten, sahen wir zu beiden Seiten desselben je eine Kanone; bei jeder standen vier Soldaten von der bereits beschriebenen Art. Der eine hielt die brennende Lunte, der zweite den Schrupper zum Auswischen des Rohres, der dritte und der vierte einen Sack voll Pulver und das Zündkraut bereit. Seitwärts war die ‚ganze Kompanie‘ Soldaten aufmarschiert, von der die Frau des Scheiks gesprochen hatte. Wir hielten nahe vor ihrer Front an, um den militärischen Pomp zu genießen, den man uns zugedacht hatte. Der Scheik und seine Frau hielten sich neben uns, um uns nötigenfalls Auskunft zu erteilen. Die Kompanie zählte vierzig Mann, die mit langen Schleppsäbeln und Feuersteingewehren ausgerüstet waren. Sie bildeten nicht eine Doppel-, sondern eine einfache Linie. Das war länger und imponierte also mehr. Diese Leute waren alle barhaupt, hatten aber die schon erwähnten hohen Reiterstiefel mit mächtigen Sporen an und den gewaltigen, wohlgefüllten Rucksack auf dem Rücken. Es gab da alle mögliche Blessuren, Verwundungen und
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