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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Reihe des Scheiks beginnen mußte und erst später die anderen großen Geister zu bringen hatte. Es wurden zwei Ausschüsse gebildet, nämlich ein erster Ausschuß für die Erbauung des Denkmals im besondern und ein zweiter Ausschuß für die Feststellung der Reihenfolge, in welcher die Abzubildenden einander zu folgen hatten, denn es galt, in dieser Beziehung die Berühmtheit und die Verdienste eines jeden einzelnen mit peinlichster Gewissenhaftigkeit gegen die der anderen abzuwägen, damit ein jeder genau an die Stelle komme, die ihm gebühre. Also handelte es sich zunächst darum, welcher Scheik der größte, der berühmteste und der verdienteste sei, denn nur mit diesem durfte man beginnen. Während der zweite Ausschuß mit den Vorarbeiten und Studien begann, welche zu einer ebenso gerechten wie bestimmten Ausführung einer solchen Wahl erforderlich sind, ging auch der erste Ausschuß an seine Arbeit, indem er den Sockel für die erste Säule errichtete. Als dieser fertig war, hatte sich der zweite Ausschuß noch nicht über den Reiter geeinigt, sondern nur erst über das Pferd. Darum wurde weitergebaut. Man begann mit dem Pferd. Als dieses vollendet auf dem Platz stand, war der andere Ausschuß zu der Überzeugung gekommen, daß man grad dem allerberühmtesten Scheik kein Denkmal setzen könne, weil er ganz ohne Verdienste sei und vielmehr sein Volk an den Rand des Abgrundes gebracht habe. Auch gab es mehrere Ussul, die zwar keine Scheiks gewesen waren, aber an Berühmtheit und guten Werken hoch über ihm standen. Nun begannen Spaltungen, die immer weiter griffen und sich über den ganzen Stamm verbreiteten. Der eine wollte Denkmäler nur für Krieger, der zweite hingegen nur für friedliche Leute; der dritte war für beide. Der vierte verlangte Pferde, der fünfte keine. Der sechste forderte diese, der siebente die andere Reihenfolge. Der achte – doch kurz und gut, seit das Pferd hier auf dem Platz stand, glaubte jedermann, daß entweder einer seiner Ahnen oder gar er selbst, natürlich erst nach seinem Tod, hinaufzusetzen sei. Es herrschte so viel Zank und Streit und Haß und Zorn, wie es noch nie gegeben hatte. Wir Frauen kannten unsere Männer und Söhne gar nicht mehr. Es gab nur noch Wüteriche, Besessene und Narren. Da traten wir Frauen zusammen. Wir bildeten auch zwei Ausschüsse. Der erste Ausschuß hatte nachzuweisen, wie alle diese berühmten und verdienten Männer aussehen, wenn sie von Frau und Kind betrachtet werden. Der zweite Ausschuß verlangte, daß anstelle dieser entlarvten Berühmtheiten nur brave und verdiente Frauen Denkmäler zu bekommen haben, und hatte zugleich nach solchen Frauen zu forschen. Da stellte es sich denn sehr bald heraus, daß es viele Tausende gab, die es verdienten, auf einen Sockel gestellt zu werden, und es wurde schleunigst damit begonnen, die Reihenfolge unter ihnen festzustellen. Jetzt gingen den Männern die Augen auf. Sie erkannten an der Dummheit ihrer Weiber, wie dumm sie selbst gewesen seien, und waren gern bereit, den Frieden zwischen dem männlichen und dem weiblichen Heerlager wieder herzustellen. Die zwei Ausschüsse von hüben traten mit den zwei Ausschüssen von drüben zusammen. Es wurde nun mit Verstand und Herz beraten, und da fand man denn, daß es bei den Ussul noch niemals weder eine männliche oder eine weibliche Person gegeben habe, die es verdient hätte, durch ein Denkmal hoch über die anderen, die keines bekommen, erhoben zu werden. Da hieraus zu schließen war, daß sich auch fernerhin niemand finden werde, der in dieser Weise auszuzeichnen sei, so wurde allerseits beschlossen und genehmigt, von der Errichtung von Denkmälern im Land der Ussul für alle Zukunft überhaupt abzusehen.“
    „Aber, hier steht doch noch das Pferd! Und heute saß einer darauf!“ warf Halef ein.
    „Ja“, lächelte sie, „das Pferd steht noch. Meinst du etwa, daß wir es hätten wegreißen und verbrennen sollen?“
    „Ja; denn es hatte keinen Zweck mehr.“
    „O doch! Wir ließen es als ein Erinnerungszeichen an unsere Torheit stehen. Das ist doch wohl ein Zweck, und zwar ein guter! Und zu diesem gesellte sich sehr bald ein zweiter. Kurze Zeit, nachdem wir klug geworden waren, forderte der damalige Mir von Ardistan, daß man ihm in allen ihm untertänigen oder tributpflichtigen Reichen und Provinzen ein Denkmal zu errichten habe. Auch wir waren hierzu verpflichtet. Wir berieten und beschlossen, ihm nicht eine gewöhnliche Fußfigur, sondern ein erhabenes

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