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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Krüppelhaftigkeiten zu sehen: ein- und anderthalbbeinige, ein- und anderthalbarmige Leute. Da war kaum ein Körperteil oder Sinneswerkzeug, das nicht bei einem oder einigen entweder fehlte oder doch wenigstens verletzt worden war. Aber sie standen alle höchst wohlgenährt und stramm in Reih und Glied, und als sie nun zu exerzieren begannen, waren ihre Bewegungen so frisch und lebhaft, daß man sah, sie seien mit ganzem Herzen bei der Sache. Zwei waren um einen Schritt vor die Front herausgerückt; sie trugen kein Gewehr, sondern hielten den gezogenen Säbel in der Hand.
    „Das sind die Leutnants“, erklärte mir der Scheik. „Du siehst ihre Kanonenrohre auf der Achsel sind nicht schwarz, sondern versilbert.“
    Einer stand noch weiter voraus, grad in der Mitte. Der hatte auch einen Säbel, aber hochrote Achselrohre.
    „Wer ist das?“ fragte ich.
    „Das ist der Oberst“, belehrte er mich.
    „Da fehlen doch der Oberleutnant, der Hauptmann, der Major, und andere!“
    „Ja, die fehlen allerdings“, gestand er ein. „Die haben wir nicht, weil uns das viel zuviel Geld kosten würde.“
    „Aber ich habe nur von eisernen, von versilberten und vergoldeten Achselrohren gehört, nicht aber von roten!“
    „Ja, das ist auch richtig! Als Oberst müßte er eigentlich vergoldete haben, die aber waren mir zu teuer. Da habe ich sie ihm rot anstreichen lassen und ich finde, daß sie ganz gut aussehen. Er freute sich sogar selbst darüber und sagte, das sei noch niemals dagewesen. Weißt du, Soldaten haben ist eigentlich gar nicht übel. Man kann dann doch zeigen, wer man ist. Aber sobald es aufhört, einträglich zu sein, und anfängt, Geld zu kosten, so will ich lieber verzichten! Man kann sich doch ganz unmöglich große Kosten machen, um Leute zu erhalten, die im Grunde genommen nur dazu da sind, andere umzubringen! Doch merkt jetzt auf! Das Schießen beginnt! Zunächst mit Kanonen! Alles euch zu Ehren!“
    Er hatte diese seine Ansicht über die Daseinsberechtigung des Soldatenstandes in einem so unbefangenen, ehrlichen Ton ausgesprochen, als ob man überhaupt gar nicht anders denken könne. Halef, dem der Anblick von Truppen stets Freude bereitete, lächelte mich heimlich an. Ich antwortete nicht. Was ich hier zu entgegnen hatte, konnte ich später viel besser sagen als jetzt, wo augenscheinlich sehr große Dinge vorbereitet wurden. Der Oberst wendete sich den Kanonieren zu, erhob den Säbel hoch und rief:
    „Paßt auf!“
    Um zu zeigen, daß sie dieses Kommandowort auf sich bezogen und auch erfüllen wollten, warf jeder der acht Feuerwerker den Kopf so weit wie möglich in den Nacken.
    „Laden!“ befahl der Oberst.
    Kaum hatte er das gesagt, so sprangen die acht Artilleristen mit einem Eifer auf die Geschütze ein, als wollten sie die ganze Welt in Grund und Boden schießen. Wer nicht wußte, um was es sich handelte, der hätte glauben können, daß es ihre Absicht sei, einen Kriegstanz oder Ringelreihen aufzuführen. Dabei wurde gestoßen, geschoben, geklopft, gepocht, geschüttelt, gerüttelt, gewischt, geächzt, gestöhnt, gestrampelt und gesprungen, daß ihnen der Schweiß aus allen Poren brach.
    „Es wird Großartiges geleistet!“ rief der Scheik voll Anerkennung aus, zu mir gewendet. „Zehn Schüsse! Bedenke, zehn Schüsse! Wie teuer! – Und alles euch zu Ehren!“
    Endlich standen die Kanoniere wieder still. Der Mann mit der Lunte blies diese kräftig an.
    „Paßt auf!“ befahl der Oberst wieder.
    Abermals flogen die Köpfe hintenüber. Die Menge aber, auf welche die Läufe gerichtet waren, duckte sich unwillkürlich.
    „Feuer!“ brüllte der Oberst mit aller Macht.
    Da tippte der Mann mit der Lunte die Kanone von hinten an, einmal – zweimal – vier- und fünfmal – doch vergebens! Und genau wie bei der einen, war es auch bei der anderen Kanone! Es fiel weder der einen noch der anderen ein, zu tun, was ihnen zugemutet wurde.
    „Was ist denn das?“ fragte der Kommandeur.
    „Es geht nicht los –!“ antworteten die beiden Luntenleute.
    „Warum denn nicht?“
    „Das Pulver ist ganz naß!“ erklärte der eine, und der andere fügte hinzu: „So habe ich also recht? Ich habe gleich von allem Anfang gesagt, daß es nicht zünden wird! Du wolltest es aber nicht glauben!“
    Dieser Vorwurf war an den Obersten gerichtet. Der warf einen verlegenen Blick auf den Scheik und klagte:
    „Es ist ein wahres Unglück mit dem ewig nassen Pulver hier in diesem feuchten Land! Was kann man da tun? Was

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