24 - Ardistan und Dschinnistan I
sich die Völker lieben, so sind sie wohl beide längst schon unterwegs, nämlich der Friede zum Kommen und der Krieg zum Gehen!“
Sie stemmte den einen Arm auf die Balustrade, schaute weit hinaus, dahin, wohin ihre Gedanken gingen, und sprach weiter:
„Daß Friede werden muß, das fühle ich. Ja, ich weiß es ganz gewiß. Ich stamme aus Sitara, wo man den Krieg nicht kennt und jedes Wort ein Wort der Liebe und Versöhnung ist. Oh, du mein Vaterland, mein herrliches und liebes! Ich sah dich nie. Jedoch den letzten Blick, den meine Ahnen scheidend auf dich warfen, den haben sie als heiliges Vermächtnis hinterlassen. Er ist von Glied zu Glied auf mich gekommen. Mit ihren Augen sehe ich dich schon heut, doch mit den meinen erst, wenn ich gestorben bin, du Land der Seelen, Land der Liebe, Land der –“
„Der Sternenblumen!“ fiel ich ein.
Sie fuhr mit einem schnellen Ruck zu mir herum, richtete sich hoch auf und fragte:
„Der Sternenblumen? – Kennst du sie?“
„Ja“, antwortete ich.
„Was weißt denn du von ihnen?“
„Daß Taldscha nach ihnen duftet; nur wußte ich nicht, woher. Jetzt aber weiß ich es: Sie ist deine Freundin. Dir ist dieser Dufthauch angeboren. Sie hat ihn von dir!“
Sie trat einen Schritt näher und fragte:
„Aber du? Woher ist er dir denn bekannt? Dir, dem Fremdling, dem Europäer?“
„Auch ich habe ihn!“
„Von wem?“
„Von Marah Durimeh.“
„Von Marah Durimeh?“ rief sie nicht, sondern schrie sie laut. „So ist auch sie dir bekannt?“
„Bekannter als du und Taldscha und alle hier am Ort! Sie ist meine Freundin, meine Beraterin, meine Beschützerin.“
„So hast du sie gesehen? Mit ihr gesprochen – wirklich?“
„Schon oft, schon oft! In verschiedenen Gegenden! Auch in Sitara schon!“
„Du warst –“ sie unterbrach mich, ergriff meine Hand, zog mich näher zu sich heran sah mir in die Augen und fuhr fort: „Du warst schon in Sitara selbst?“
„Ja!“
„Sag mir die Wahrheit, ja die Wahrheit! Ist es wirklich so?“
„Ja, wirklich!“
„Höre, ich prüfe dich! Was du sagst, ist fast unmöglich!“
„So prüfe!“
„Das werde ich tun. Höre, und antworte mir! Es soll dort eine Schmiede geben, eine ganz sonderbare, berühmte, alte Schmiede. Sie liegt im tiefen Wald. Es wird nicht Eisen dort geschmiedet, sondern etwas ganz anderes. Wenn du bei Marah Durimeh gewesen bist, so kennst du diese Schmiede unbedingt! Sie liegt in Sitara!“
„Nein, sondern nur an der Grenze von Sitara, nämlich in Märdistan. Nur wer in dieser Schmiede zu Stahl gehärtet worden ist, darf nach Sitara kommen.“
„Aber – aber – du sagtest doch, daß du in Sitara gewesen seist?“
„Allerdings!“
„Also auch in der Schmiede?“
„Ja.“
„Im Feuer, auf dem Amboß, im Schraubstock?“
„In allen Qualen, die es dort gibt.“
Sie war von dem, was sie hörte, fast außer sich. Sie atmete tief und schwer.
„So kennst du den Bericht? Kennst seine Worte?“ fragte sie.
„Schon längst!“
„So sag sie! Sag wenigstens den Anfang!“
Ich gehorchte ihr, indem ich die meinen Lesern wohlbekannte Schilderung rezitierte:
„Zu Märdistan, im Walde von Kulub,
Liegt einsam, tief versteckt die Geisterschmiede.
Nicht schmieden Geister; nein, man schmiedet sie!
Der Sturm bringt sie geschleppt um Mitternacht,
Wenn Wetter leuchten, Tränenfluten stürzen.
Der Haß wirft sich in grimmer Lust auf sie.
Der Neid schlägt tief ins Fleisch die Krallen ein.
Die Reue schwitzt und jammert am Gebläse.
Am Blocke steht der Schmerz, mit starrem Aug
Im rußigen Gesicht, die Hand am Hammer –“
Die Priesterin hatte mich bis hierher zitieren lassen; aber ihre Erregung ließ sie nicht länger schweigen. Sie unterbrach mich, um selbst fortzufahren:
„Da, jetzt, o Mensch, ergreifen dich die Zangen.
Man stößt dich in den Brand; die Bälge knarren.
Die Lohe zuckt empor, zum Dach hinaus,
Und alles, was du hast und was du bist,
Der Leib, der Geist, die Seele, alle Knochen,
Die Sehnen, Fibern, Fasern, Fleisch und Blut,
Gedanken und Gefühle, alles, alles
Wird dir verbrannt, gepeinigt und gemartert
Bis in die weiße Glut –“
Da wurde auch sie unterbrochen. Die Herrin der Ussul ergriff das Wort, um die Schilderung der Vorgänge in der ‚Geisterschmiede‘ fortzusetzen:
„Da reißen dich die Zangen aus dem Feuer.
Man wirft dich auf den Amboß, hält dich fest.
Es knallt und prasselt dir aus jeder Pore.
Der Schmerz beginnt sein Werk, der Schmied der Meister.
Er
Weitere Kostenlose Bücher