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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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soll daraus werden!“ klagte er. „Denke dir nur, Effendi, was wir gestern alles getan haben. Wir haben erst die Tschoban besiegt, nachher ganz Ardistan mit Krieg und Sieg überschwemmt, und endlich auch ganz Dschinnistan erobert. Ich war der Großwesir, der die Offiziere befördert, die Orden verteilt und die Gehälter bezahlt. Auf mich kam alles an. So habe ich es denn im Lauf unserer gestrigen Feldzüge an den nötigen Standeserhebungen nicht fehlen lassen. Unsern alten Oberst, der aber noch gar nicht Oberst, sondern erst Oberstleutnant ist, habe ich zunächst zum wirklichen, türkischen Mir Alai (Oberst) befördert, dann zum Liwa (Brigadegeneral), zum Ferik (Divisionsgeneral) und zum Muschir (Feldmarschall). Wenn ich mich recht besinne, ist er sogar Ferik Bahrir (Admiral) geworden. So ähnlich sind auch die beiden Leutnants emporgestiegen. Sie wollten persische anstatt türkische Rangbezeichnungen haben. Das gestattete ich ihnen. Der eine wurde infolge seiner Tapferkeit sehr schnell Sultan (Hauptmann), Yävär (Major), Särtix (Oberst), und Mir tuman (General über 10.000 Mann). Der andere schien mir nicht recht glauben zu wollen. Darum hat er es nur bis zum Särhäng (Oberstleutnant) gebracht und wird auf dieser Stelle sitzenbleiben, wenn er sich nicht besser zu benehmen weiß. Dem alten Oberst habe ich fünfmalhunderttausend, dem einen Leutnant hundertfünfzigtausend und dem andern Leutnant hunderttausend Piaster Gehalt versprochen, und nun frage ich dich, wo ich das alles hernehmen soll, wenn sie mich heut bei meinem Wort fassen? Es wird mir angst, himmelangst! Wie rette ich mich vor den innerlichen Vorwürfen, die in mir aufsteigen wie eine Menge kleiner, bissiger Hunde, die mir drohen, meine Seele anzuknabbern?“
    „Die beste Beruhigung liegt in dem Gedanken, daß die drei Offiziere, die du so hoch befördert und so reich besoldet hast, höchstwahrscheinlich keinen geringeren Schwips gehabt haben, als du selbst.“
    „Schwips? Wo denkst du hin! Schwips? Das klingt so niedlich. Aber was wir hatten, war gar nicht lieblich und klein, sondern riesengroß und menschenfresserisch. Mein Schwips war ein Schakal, der erst zum Fuchs und dann zum Wolf und zur Hyäne wurde; ihre Schwipse aber waren Panther, Tiger und Löwen, gegen die man ohne geladene Flinte gar nicht aufkommen kann. Und du mußt mir doch ehrlich zugeben, daß ich unmöglich nach meiner Flinte laufen konnte, um den Oberst und die Leutnants von ihren Räuschen zu befreien!“
    „Und die haben dich nach Hause geführt? – Das sagtest du mir doch!“
    „Ja, sie wollten es; sie versprachen es, und ich rief es dir hinauf, als ich dich trotz meiner Trunkenheit da oben auf dem Turm erkannte, den sie den Tempel nennen. Aber es kam anders, als wir dachten. Nämlich der Simmsemm wollte nicht, daß sie mich nach Hause brachten. Der Leutnant, der von mir die hundertfünfzigtausend Piaster bekommen hatte; setzte sich schon nach zehn Schritten nieder und verlangte einen neuen, vollen Krug. Er dachte, wir säßen noch im Palast. Eine kleine Strecke weiter legte sich der Oberst mit seiner halben Million Piaster in das Gras und behauptete, er sei daheim, und ich solle mich ganz leise entfernen, damit seine Frau und seine Kinder nicht aufgeweckt würden. Und der dritte setzte oder legte sich gar nicht erst, sondern er machte noch viel weniger Umstände. Nämlich er fiel gleich aus freien Stücken um. Da lag er mit seinen hunderttausend Piastern und sagte kein Wort, kein einziges Wort; so gänzlich weg war er! Ich sprach zwar auf ihn ein, um ihn zu ermuntern, er aber blieb ganz stumm. Da stand ich wieder auf und suchte mein Fleisch und meine –“
    „Ah!“ unterbrach ich ihn. „Du standest wieder auf?“
    „Ja! Natürlich!“ antwortete er.
    „Bist also auch mit umgefallen?“
    „Selbstverständlich! Er führte mich ja. Er hielt mich fest, damit ich nicht etwa straucheln möge. Er meinte es ungeheuer gut mit mir. Konnte ich da etwa stehen bleiben, als er das Unglück hatte, bei diesem Liebesdienst so ganz aus freiem Himmel herabzufallen? Er ist Offizier. Das verpflichtet zur Kameradschaft. Ich fiel also mit hin. Als ich dann aufstand, suchte ich mein Fleisch und alle meine Knochen einzeln zusammen –“
    „Was?“ fragte ich, indem ich ihm abermals in die Rede fiel. „Dein Fleisch und deine Knochen? – Alle einzeln?“
    „Ja. Als wir nach dem Festmahl aufstanden, sah ich, daß wir nicht alles aufgegessen hatten. Es gab noch viel, viel Fleisch,

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