Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
sondern vom Verehren die Rede!“
    „Ach so! Also besser! Nun aber wird's!“
    Er nahm sich zusammen und fing von neuem an:
    „Sprich: O ihr Ungläubige, ich verehre nicht das, was ich verehre, und ihr verehret nicht das, was ihr verehret –“
    „Aber was denn sonst?“ rief ich ihm zu. „Sie können doch nichts anderes verehren als eben das, was von ihnen verehrt wird!“
    „Sehr richtig!“ stimmte er bei. „Ich aber auch nicht!“
    „Und doch hast du soeben das Gegenteil davon gesagt!“
    „Ich? Das Gegenteil? Du irrst, Sihdi! Ich kann beschwören, so vielmal du willst, daß ich in meinem ganzen Leben noch nicht ein einziges Mal das Gegenteil von dem gesagt habe, was ich sage! Wenn du solchen Unsinn redest, muß ich annehmen, daß der Rausch, den du in meinen elf oder zwölf Köpfen suchst, in deinem eigenen Kopfe steckt!“
    „Die Zahl deiner Köpfe wird, wie es scheint, immer größer. Du hast behauptet, daß du nicht verehrest, was du verehrst.“
    „Das ist nicht wahr Effendi, das ist nicht wahr! Ich weiß zwar, daß du niemals lügest, und das ist wohl die einzige Tugend, die ich an dir entdecken kann, aber Irrtümer und Verwechslungen sind auch beim wahrhaftigsten Menschen möglich, zumal du mich immer und immer unterbrichst. Laß mich doch einmal ausreden, richtig ausreden! Vom Anfang bis zum Ende! Da wirst du gleich hören, daß alles prächtig stimmt!“
    „Gut! So rede dich aus!“
    „Ohne, daß du mich unterbrichst?“
    „Ja.“
    „So halte Wort! Und paß auf, wie gut und richtig ich es bringen werde!“
    Und abermals streckte er die Arme aus, und abermals machte er die Augen zu. Dann begann er zu deklamieren:
    „Sprich: O ihr Ungläubige, ich rede nicht aus, was ihr ausredet, und ihr unterbrecht nicht das, was ich unterbreche, und ich werde nie das verehren, was ihr ausredet, und ihr werdet nie verehren, was ich unterbreche. Ihr habt meine Religion und ich habe die eurige!“
    Als er damit fertig war, machte der die Augen wieder auf, ließ die Arme fallen und schaute erwartungsvoll zu mir herüber. In seinem Gesicht war sehr deutlich zu lesen, daß er überzeugt sei, das größte Lob von mir zu ernten.
    „Nun Sihdi, was sagst du dazu?“ fragte er, als ich schwieg.
    „Du hast den tollsten Unsinn geschwatzt, den es geben kann!“ antwortete ich.
    „Unsinn? Toll?“ wiederholte er erstaunt. „Was wird Mohammed, der Prophet, dazu sagen, wenn er das erfährt?“
    „Warum grad dieser?“
    „Weil das, was du als Unsinn bezeichnest, aus seinem Mund stammt, sogar aus Gottes Mund. Denn ich habe wörtlich wiederholt, was Mohammed im heiligen Buch sagt. Und was da steht, daß ist dem Propheten vom Himmel herabgekommen! Oh, Effendi, wie betrübst du mich! Ich kenne dich gar nicht wieder. Es steht schlimm, sehr schlimm um dich! Du bist entweder ein Spiritustrinker oder ein Gotteslästerer geworden! Eines von beiden! Ein drittes gibt es nicht! Wenn du den Inhalt des Koran als Unsinn bezeichnest, bist du entweder ein Religionsschänder oder ein Trunkenbold. Um dich vom Trunk zu retten, muß ich dich für einen Lästerer halten, und um dich von dem Religionsfrevel zu befreien, bin ich gezwungen, dich als Trunkenbold hinzustellen. Beides ist schrecklich. Eines immer schrecklicher als das andere! Aber ich will dich doch lieber für einen Trinker als für einen Verleumder der Sure El Imtihan halten und fühle mich darum verpflichtet, dich zu warnen. Hüte dich vor dem Simmsemm! Ich sage dir, hüte dich! Dieser Simmsemm gleicht einem alten Weib, welches äußerlich schöne Kleider trägt, innerlich aber voller Mucken und tiefer Abgründe ist.“
    „Die kennst du wohl?“ fragte ich in etwas anzüglicher Weise.
    „Ja, die kenne ich!“ bestätigte er. „Denn ich bemerke sie an dir. Du bist betrunken, Sihdi, vollständig betrunken! Du kannst dich schon nicht mehr auf den Beinen halten! Ich habe dich an die Wand gelehnt; aber du hast nicht einmal die Kraft, dich an ihr aufrecht zu erhalten. Du rutschst –“
    Während er das sagte, rutschte er selbst.
    „Rutschst – an der Wand hernieder“, fuhr er fort, indem er den Halt verlor und mehr und mehr zusammensank. „Dann kommt – dann kommt – dann kommt ein großer, ein gewaltiger Plumps, und dann – dann liegst du da!“
    Ganz genau so, wie er es sagte, so geschah es. Der Plumps kam, und dann lag er da, der berühmte Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar. Ich machte den Versuch, ihn wieder zu ermuntern, vergeblich. Der

Weitere Kostenlose Bücher