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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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können. Aber wie das Begräbnis auf der Insel eine Unwahrheit war, so ist auch das Begräbnis im Herzen eine Lüge. Er hat geglaubt, die Ussul zu täuschen und täuschte doch vor allen Dingen sich selbst. Wie er weiß, daß seine Tochter körperlich nicht gestorben ist, so weiß er auch, daß sie in seinem Vaterherzen lebt. Das quält und peinigt ihn. Er kann die Lüge nicht loswerden. Sie läßt ihm Tag und Nacht keine Ruhe. Wie jede Lüge zur Wahrheit treibt, so auch diese. Der Sahahr wird nicht eher Ruhe finden, als bis es an den Tag gekommen ist, daß man in jenem Grab nicht die Spuren des Todes, sondern grad im Gegenteile die Beweise des Lebens zu suchen hat.“
    „Hat er mit dir hiervon gesprochen?“ fragte sie.
    „Nein.“
    „Aber woher weißt du das? Ich bin die einzige Vertraute seiner Frau, der Priesterin, und weiß also, daß auch sie dir hiervon nichts verraten hat. Du sagst, es sei so einfach und so selbstverständlich es sich zu denken, ich aber begreife es nicht.“
    „Schau um dich, und schau in dich, so wird dir nicht nur diese, sondern auch so manche andere, scheinbare Unbegreiflichkeit des Lebens sehr leicht verständlich werden. Es gibt ein zweifaches Leben, ein äußerliches und ein innerliches. Das innerliche ist die Hauptsache, denn es gehört der Ewigkeit an. Das äußerliche ist Nebensache, weil es sich aus Vergänglichem zusammensetzt. Das äußerliche ist für das innerliche da, daß es sich offenbare. Man soll durch das Äußere auf das Innerliche schließen. Wer seine Aufmerksamkeit nur auf das Außenleben richtet, der bleibt, mag er nach dieser Richtung hin noch so viel erreichen, in Beziehung auf das eigentliche, höhere, wirkliche Leben doch nur ein armer, beklagenswerter, blinder Mann. Wer sich aber gewöhnt, in allem, was er empfindet, denkt und tut, vom Niedrigen auf das Höhere, vom Körperlichen auf das Geistige und Seelische zu schließen, dem tun sich tausend, tausend Wunder auf, indem er sehen lernt, während der andere erblindet. Vor allen Dingen lernt er unser gegenwärtiges Leben als einen Anschauungs- und Übungsunterricht betrachten, den der Himmel der Erde erteilt, damit sie dann, wenn der Tod die Schule schließt, sich für die neue, herrliche Gotteswelt, in die sie tritt, bereits hier in der alten, nun für sie vergangenen, vorbereitet habe. Wer sich gewöhnt, in dieser Weise zu trachten und zu forschen, der lernt nicht nur, von außen nach innen zu folgern, sondern ebenso auch von innen nach außen zurückzuschließen und kommt dabei zu Erkenntnisschätzen, von denen andere keine Ahnung haben. Was ihr in Beziehung auf den Dschinnistani, seine Frau und seinen Sohn geheimzuhalten trachtet, weil ihr glaubtet, daß es euch vor dem Volk der Ussul bloßstelle, das wiederholt sich täglich und stündlich hier in allerbreitester Öffentlichkeit, so daß es nur die Blinden, von denen ich sprach, nicht sehen.“
    „So bin auch ich noch blind?“ fragte sie. „Denn ich sehe nichts!“
    „Ja“, antwortete ich. „Du glaubst, zu sehen. Aber was in dein Auge fällt, ist nur erst ein leiser, leichter, kaum bemerkbarer Schein des strahlenden Lichts, für welches sich deine Augen langsam, nach und nach öffnen sollen. Und was ich dir jetzt sagte, das sage ich eben nur dir und niemand anderem. Dein Auge kennt schon jenen leisen, dämmernden Schein, der dir den vollen, hellen Tag verspricht, und ich finde also Glauben, wenn ich von dieser Helligkeit, von diesem Tag zu dir spreche; ein Blinder aber würde wahrscheinlich zweifeln, würde den Kopf schütteln, würde vielleicht gar lachen.“
    „Du hast recht!“ sagte sie sehr ernst. „Ein Blinder würde lachen! Ich aber lache nicht! Der ahnende Schein, der meinen Augen gestattet worden ist, stammt aus dem Paradies, dessen irdisches Bild wir während der Nacht in Flammen vor uns liegen sahen. Durch die Worte, die du jetzt zu mir gesprochen hast, will er mir lichter werden. Und wenn ihr nun von hier nach Dschinnistan reitet, begleite ich euch auf den Pfaden meiner Seele hinauf. Wenn ich nicht vorwärts kann, müßt ihr mir Botschaft geben, denn ich will und darf nicht so töricht sein, den Augenblick zu versäumen, an dem die alte, fromme Sage der Ussul zur Wahrheit wird. Komm! Reiten wir weiter nach dem großen Versammlungsplatz, wo die Hukara exerzieren! Bis dahin erzähle ich dir, daß es dem Dschirbani gelungen ist, seinem Großvater, dem Sahahr, den alten, schlechten Verband abzunehmen und einen neuen anzulegen, ohne daß

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