24 - Ardistan und Dschinnistan I
sei, und vor allen Dingen eine ausreichende Menge von Wasserschläuchen, denn es sei nicht nur möglich, sondern höchst wahrscheinlich, daß unser Zug von dem Engpaß aus nicht heimwärts, sondern quer durch die trockene Wüste der Tschoban nach Norden gehen werde.
So saßen wir weit über eine Stunde lang und brachten alles vor, was wir vorzubringen hatten. Ich kann hier diese hochwichtige Besprechung übergehen, weil sich die Resultate derselben im Verlauf unserer Erlebnisse deutlich zeigen werden. Ganz selbstverständlich verlangte ich, daß die drei gefangenen Tschoban unter sicherer Bedeckung mitgenommen würden, weil sie für uns ein Kapital bildeten, dessen Wert bei den Verhandlungen mit unseren Gegnern sehr schwer in die Waagschale fallen mußte. Und schließlich erklärte ich, daß ich heute abend nicht zum Essen erscheinen werde, auch Halef nicht. Ich war der Meinung, daß der geplante Zusammenprall der neuen mit den alten Anschauungen viel schneller einen friedlichen Verlauf nehmen werde, wenn Fremde nicht zugegen seien. Taldscha gab mir recht. Sie erwies sich überhaupt als eine so verständige, mutige und opferbereite Verbündete, daß ich wiederholt ihre Hand an meine Lippen zog, worüber sie sich außerordentlich freute, weil sie sehr wohl wußte, daß ich es mit dieser Anerkennung ernst und aufrichtig meinte.
Da die Hukara ihre Übungen noch bis zur Dämmerung fortsetzen wollten, so stiegen wir zwei wieder zu Pferd und verabschiedeten uns von Halef und dem Dschirbani. Der Letztere fragte mich, ob ich heute um Mitternacht der Einsegnung seiner Krieger beiwohnen werde, und als ich ihm antwortete, daß dies ganz selbstverständlich meine Absicht sei, bat er mich, eine Stunde eher zu kommen und auf der Zinne des Tempels auf ihn zu warten, damit er mir über die Ergebnisse des Abends Bericht erstatten könne. Ich sagte zu und ritt dann mit der Frau des Scheiks fort und in die Stadt zurück. Aacht und Uucht, meine beiden edlen Hunde, hatten während dieser ganzen Zeit ruhig neben mir gesessen und sich durch kein Geschrei und keinen Lärm der Reiterei aus ihrer Ruhe bringen lassen. Nur einmal, als Halef mit seinen beiden Bärenhunden zu uns kam, hatten sie leise, leise mit den Spitzen ihrer Schwänze gewackelt und ein wenig mit den Ohren gezuckt, genauso, wie der hochgeborene blaublütige Orientale einen unter ihm stehenden Menschen auch nicht mit dem ganzen ‚Salam aaleïkum‘, sondern nur mit den beiden Wortanfängen ‚Sal-al‘ begrüßt. Wäre ich mein Hadschi Halef Omar gewesen, so hätte ich geglaubt, daß ein Abglanz dieser Hoheit auch auf mich, den Herrn, gefallen sei!
Unterwegs begegneten uns die zehn Abgesandten der Hukara, die nach dem großen Versammlungsplatz gingen, um ihrem Kommandanten Bericht zu erstatten. Sie hatten erreicht, was sie erreichen wollten, aber nicht, weil man ihnen recht gab, sondern, wie es den Anschein hatte, nur um sie loszuwerden. „Heute abend aber sei der Dschirbani selbst dabei; da werde man in einem anderen Ton mit dem Ältesten reden!“ So sagten und so erzählten sie uns; dann gingen sie weiter.
Zu Hause angekommen, verbrachte ich die Zeit bis zur Dämmerung damit, unser Sattel- und Riemenzeug nachzusehen, meine Gewehre und Revolver instand zu setzen und meinen Anzug, soweit es nötig war, zu reparieren. Das tut man am besten immer selbst. Dann kam Halef. Er war überglücklich und überschwemmte mich sofort mit einer Fülle taktischer und strategischer Pläne, daß ein freundliches und ein feindliches Heer von je einer Million Soldaten dazu gehört hätte, nur die Hälfte von ihnen wenigstens auszuprobieren. Ich ließ ihn reden und hörte lächelnd zu. Er hatte sich den ganzen Nachmittag lang ehrlich geplagt, und so war ihm diese Art von Selbstbelohnung, die er sich erteilte, wohl zu gönnen. Der Fluß seiner Rede stockte nach und nach ganz von selbst, je mehr er bemerkte, daß ich ihm zwar meine Aufmerksamkeit schenkte, selbst aber kein einziges Wort zur Sache sprach.
„Was ist das, Sihdi?“ fragte er mich. „Du redest nicht. Warum?“
„Weil du redest“, antwortete ich. „Wenn zwei sich miteinander unterhalten, so erfordert die Höflichkeit, daß der eine schweigt, während der andere spricht.“
„So habe ich wohl unaufhörlich gesprochen?“
„Ja.“
„Dir keine Lücke gelassen, einzuspringen?“
„Keine.“
„So bitte ich dich um Verzeihung! Aber mein Herz ist voll, und mein Kopf gleicht einem Lesebuch, in welches tausend Feldherren
Weitere Kostenlose Bücher