24 - Ardistan und Dschinnistan I
und zehntausend Helden ihre Erfahrungen und Kenntnisse eingetragen haben! Sihdi, ich verlange Krieg! Ich muß Krieg haben, unbedingt Krieg! Denn nur durch Krieg und wieder Krieg und zum dritten Mal Krieg kann ich dir zeigen, was für ein außerordentlicher, ganz unvergleichlicher und berühmter Kerl ich bin! Glaubst du das? Und begreifst du das?“
„Ja. Ich habe es selbst erlebt.“
„An dir selbst?“
„An mir und anderen. Auch ich bin das gewesen, was du noch heute bist!“
„Was?“
„Ein Knabe! Ein dummer Junge!“
„Oho! Was soll das heißen?“ fuhr er auf.
„Genau das, was ich damit sagen will! Ich habe als Knabe mit anderen dummen Jungen sehr oft Soldaten gespielt. Fast regelmäßig endete das Spiel mit einer wirklichen, ernstgemeinten Prügelei. Und ebenso regelmäßig brachten wir derartige Spuren des Kampfes mit heim, daß unsere lieben, zärtlichen Väter und Mütter, die leider nicht von der Notwendigkeit des Kriegs zu überzeugen waren, dann zu den Stöcken griffen, um uns die hohe Politik und Strategie zu vertreiben.“
„Und das hast du erlebt? Wirklich selbst erlebt?“
„Jawohl!“
„Wirkliche Schläge bekommen, wirkliche Prügel?“
„Wirkliche! Ich fühle es noch heut!“
„Und das sagst du, ohne dich zu schämen?“
„Schämen? Ich bin stolz darauf!“
„Pfui! Effendi, du hast kein Ehrgefühl! Ich kündige dir meine Freundschaft! Oder meinst du, daß es ehrenvoll ist, sich im Kampf als Held und Sieger zu gebärden und dann, wenn man nach Hause kommt, vom Vater Prügel zu erhalten? Mein Vater hat das nie getan!“
„Der meine aber stets! Er war vernünftig und betrachtete mich und die Prügelei mit himmlischen, nicht aber mit irdischen Augen!“
„Mit himmlischen? Ah, verzeih, Sihdi! Du hast ironisch gesprochen! Du hast es bildlich gemeint, wie fast immer, wenn ich Dummheiten mache! Du meinst mit deinem Vater also Gott?“
„Ja. Und nun frage ich dich: Was hilft mir, dem kurzsichtigen Knaben, mein ganzer Ruhm vor andern kurzsichtigen Knaben, wenn ich dadurch den Vater, anstatt ihm zu gehorchen und ihm Freude zu machen, mit aller Gewalt zwinge, mich hinterher immer wieder von neuem zu verhauen, zu verwichsen und zu versohlen? Schau in die Weltgeschichte! Wie mancher Knabe hat sich mit andern, bessern und edleren Knaben herumgeschlagen, anstatt sie in Ruhe zu lassen, damit sie sich naturgemäß und friedlich entwickeln könnten! Und dann am Schluß: Wer hat den Schaden auszugleichen, die Risse und Schmisse zu heilen, die Verluste zu ersetzen, die Spuren zu vertilgen gehabt? Etwa der sogenannte Held? Der sicher nicht! Wir wissen ja heut, daß ihn der Vater dann hernahm und ihm den Stock zu kosten gab!“
„So bist du also gegen den Krieg?“
„Nicht gegen den heiligen Krieg, den Gott gesegnet hat und immer segnen wird! Das ist der Krieg, in dem die Menschheitsseele in eigener Person zum Schwert greift, um den Entwicklungsgang der Sterblichen zu schützen. Stets aber bin ich gegen den Krieg unter Knaben, der nur den Zweck hat, um eines kulturgeschichtlich unreifen Apfels willen einander Hose und Rock zu zerreißen und dann die Nadel und den Zwirn der Mutter und den Stock des Vaters in Bewegung zu setzen. Frag die Völker, denen das grausame Los beschieden war, infolge solcher Versündigungen an Gottes ‚Friede auf Erden‘ jahrhundertelang zu hungern und zu kummern, um abzubüßen, was Knaben sündigten! Und ich bin ganz besonders gegen jeden Krieg, der sich auf das armselige, elende Gerede gründet, das ich vorhin aus deinem Mund vernommen habe: ‚Sihdi, ich verlange Krieg! Ich muß Krieg haben, unbedingt Krieg! Denn nur durch Krieg und wieder Krieg und zum dritten Mal Krieg kann ich dir zeigen, was für ein außerordentlicher, ganz unvergleichlicher und berühmter Kerl ich bin!‘ Halef, ich kenne dich anders, als du dich da gezeichnet hast, und das ist dein Glück! Denn wenn dir diese Verlästerung unserer herrlichen Marah Durimeh wirklich aus dem Herzen gekommen wäre, würde ich dich auf der Stelle zum Teufel jagen!“
„Würdest du das? Wirklich?“ fragte er kleinlaut.
„Ja, und zwar sofort!“
„So ist es ein wahres Glück, daß man grad jetzt in diesem Augenblick das Abendessen bringt! Setz dich, Effendi! Setz dich und iß! Ich lege dir vor! Ich schneide dir alles zurecht! Ich selbst! Du ersiehst daraus, wie sehr ich dich liebe, wie gern ich dir gehorche und daß wir eigentlich ein Herz und eine Seele miteinander sind! Von diesem Krieg aber
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