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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich schon von weitem sehen muß. Sie haben mich bemerkt, ohne daß ich ahnte, wie nahe ich ihrem Lager sei. Sie versteckten sich zu beiden Seiten hinter die Sträucher und fielen über mich her, sobald ich diese Stelle erreichte. Dann schleppten sie mich zum Lager hin, um über mich zu verhandeln. Sie wollten wissen, wer ich sei, woher ich komme und was ich hier bei ihnen wolle –“
    „Was hast du da gesagt?“ unterbrach ich da den Fluß seiner Rede.
    „Nichts“, antwortete er.
    „Nichts? Unmöglich! Du hast doch eine Antwort geben müssen!“
    „Nein! Ich habe keine gegeben. Es fiel mir nichts ein, was ich hätte sagen können, gar nichts.“
    „Das ist geradezu unglaublich! Dir nichts einfallen? Meinem Hadschi Halef nichts einfallen? Das ist dir doch wohl in deinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal geschehen!“
    „Allerdings nicht. Heut aber geschah es zum ersten Mal.“
    „Vor Schreck etwa?“
    „Nein, sondern vor Erstaunen.“
    „Über die Größe dieser Leute?“
    „Das nicht. Du weißt ja, Sihdi, daß körperliche Größe mich nicht verblüfft. Auch hier nicht, obwohl diese Ussul fast ohne Ausnahme alle Riesen sind. Aber ihre Behaarung! Allah 'l Allah! Was sind das für Menschen! Diese Köpfe, diese Bärte und diese Haarmähnen, die bis auf die Lenden herabreichen. Ich sage dir, ich war derart erstaunt, daß mir die Stimme versagte, daß ich die Sprache verlor. Und dumm sind sie, diese Menschen, geradezu blitz- und hageldumm. Denke dir nur: Sie hielten mich für einen entsprungenen Hofnarren, für den Zwerg und Possenreißer irgendeines Herrschers. Und später kam der Zauberer gar auf die wahnsinnige Idee, daß ich sehr wahrscheinlich der Leibzwerg des Mir von Ardistan sei, aber nicht ihm entsprungen, sondern von ihm als Spion gesandt, das Gebiet von Ardistan auszukundschaften! Ich und ein Zwerg! Ein Kundschafter und Späher! Aber die andern glaubten es ihm. Wäre der Scheik zugegen gewesen, so hätte man mich auf der Stelle umgebracht. Da man mit diesem Urteil und seinem Vollzug aber bis zu seiner Rückkehr warten muß, so beschloß man, mich inzwischen auf die Insel hinüberzuschaffen, von der aus ich nicht entfliehen könne.“
    „Hast du dich gewehrt?“
    „Nein. Ich konnte nicht. Als man mich ganz unerwartet ergriff, nahm man mir sofort das Messer, die Pistolen und alles andere, was ich im Gürtel trug. Womit hätte ich mich da wohl wehren können? Etwa mit den Händen, wo die ihren viermal größer sind als die meinen? Nun ist es ein Glück, daß du gekommen bist! Wie gedenkst du, uns zu befreien?“
    „Uns zu befreien? Welch eine Frage! Wir sind ja frei!“
    Er sah mich an, schaute rundum, lachte dann fröhlich auf und rief:
    „Das ist allerdings richtig, ganz außerordentlich richtig! Es gibt hier nur dieses einzige Boot. Wir brauchen doch nicht zu ihnen zurückzukehren, sondern einfach nur quer über den See zu rudern. Wir kommen viel eher dort an als sie, die den weiten Umweg längs des Ufers machen müssen. Aber, weißt du, Effendi, das, was sie mir abgenommen haben, möchte ich ihnen nicht gern lassen!“
    „Das sollst du auch nicht. Wir haben gar keine Veranlassung, zu fliehen. Sie haben uns zu gehorchen. Ich werde sie zum Frieden zwingen. Ihr Scheik befindet sich nämlich in meiner Gewalt.“
    „Du hast ihn gesehen?“ fragte er rasch.
    „Gesehen und gefangengenommen!“
    „Hamdullillah! Nun sind wir wieder groß!“
    Er stand von seinem Sitz auf, tat einen Freudensprung, daß der Kahn ganz gefährlich zu schaukeln und zu rollen begann, und fuhr dann fort:
    „Unser Gefangener, unser Gefangener ist er! Was können diese Giganten uns nun tun? Nichts! Wenn sie uns nicht gehorchen, so schlachten wir ihn ab und fressen ihn auf mit Haut und Haar und Knochen! Sihdi, das müssen wir ihnen sagen, sofort sagen! Greif zum Ruder! Wir fahren hinüber zu ihnen. An das Ufer! Sofort, sofort!“
    Er setzte sich wieder an seinen Platz, um seine Worte auszuführen. Ich hatte nichts dagegen und fragte nur, wo die Sachen, die ihm abgenommen worden waren, zu suchen seien. Er antwortete:
    „Die Dame Taldscha hat alles zu sich gesteckt. Sie sagte, daß es dem Scheik gehöre und also sie es in Verwahrung zu nehmen habe. Mir scheint, daß sie es ist, die den Stamm regiert, nicht er. Sogar der Zauberer wagte nicht zu widersprechen. Er ist sehr höflich zu ihr. Sie hat einen Ledersack an ihrer Seite hängen; da hinein hat man alles getan. Sie gefällt mir sehr. Sie ist fast schön. Sie scheint

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