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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich in einer sehr lebhaften Unterhaltung und schienen sich unterwegs ganz leidlich einander angefreundet zu haben. Der gute Verlauf unseres bisherigen Abenteuers stand für mich fest. Ich deutete auf einen Außenzweig der Quitte und fragte den Scheik:
    „Wieviel Quitten trägt dieser Zweig?“
    „Zusammen zwölf“, antwortete er, nachdem er gezählt hatte.
    „Ich will dir zeigen, was aus deinen Jägern geworden wäre, wenn sie es gewagt hätten, sich an mir oder meinem Hadschi zu vergreifen. Ich werde nur sechs von diesen Früchten herabschießen, dann aber auch den ganzen Zweig mit den sechs übrigen.“
    Ich entfernte mich, um eine möglichst imponierende Distanz zu nehmen. Diese Pause benutze Halef, der die Situation sofort begriff, um die Sache möglichst wichtig aufzubauschen. Er rief aus:
    „Es kommt ein Meisterstück, ein ungeheures Meisterstück! Sechs Quitten, eine nach der andern! Und dann der ganze Zweig! Und zwar ohne auch nur ein einzigesmal zu laden! Mit diesem Zaubergewehr kann man nämlich, wenn man es zu behandeln versteht, in alle Ewigkeit weiterschießen, ohne laden zu müssen! Ihr werdet eure Wunder sehen; ich sage euch, eure Wunder!“
    Als ich mich in der gewünschten Entfernung befand, drehte ich mich um und legte das Gewehr an.
    „Jetzt, jetzt!“ schrie Halef. „Es beginnt!“
    Ich zielte sehr genau, denn wenn ich die beabsichtigte Wirkung erreichen wollte, durfte es keinen Fehlschuß geben. Es gelang. Sechs Schüsse schnell hintereinander für die Früchte, und dann noch zwei, um den Zweig herabzubrechen, denn mit nur einem der kleinen Projektile gab es keine Garantie. Als ich den Zweig fallen sah, setzte ich das Gewehr ab. Halef jubilierte in seiner lauten Art und Weise. Die drei Ussul standen ganz erstaunt. Sie fanden keine Worte. Aber es sollte noch weit besser kommen. Die Schüsse hatten einen Raubvogel aufgescheucht, der höchstwahrscheinlich beim Fraß gesessen hatte, und zwar so in der Nähe von uns, daß wir seine Stimme noch eher hörten als wir ihn sahen. Er stieg, weit ausholend, in die Höhe, und zwar nicht etwa in schräger Richtung uns entfliehend, sondern in einer erst weiten und dann immer enger werdenden Schneckenlinie, beständig über uns bleibend.
    „Ein Nisr El Afrit (Riesenadler)!“ rief der Scheik, für den Augenblick meine Schüsse ganz vergessend.
    „Ein Nisr El Afrit!“ rief auch der Zauberpriester, und der Ton, in dem dies geschah, sagte deutlich, daß dieser Vogel hier zu den seltensten und wertvollsten Jagdbeuten gehörte.
    „Ein Nisr El Afrit!“ rief ebenso die Scheikin, indem sie ihre Arme verlangend emporstreckte. „Wenn man die Steuerfedern hätte – die Steuerfedern nur!“
    „Willst du sie haben?“ fragte ich, indem ich den Stutzen wegwarf und nach dem weit- und hochtragenden Bärentöter griff.
    Sie sah mich verwundert an und antwortete nicht. Halef rief ihr zu: „Sag ja, sag ja! Dann holt er ihn dir herab!“
    Ich hob das Gewehr und zielte. Der Schuß krachte. Der Vogel zuckte zusammen, als ob er über den lauten Knall erschrocken sei. Aber es war die Kugel, unter der er zusammenzuckte. Der Körper hing einen Augenblick vollständig unbeweglich in der Luft; dann begannen die Schwingen konvulsivisch zu schlagen. Der Körper drehte sich um sich selbst und fing an zu sinken, erst langsam, dann schnell und immer schneller; den einen Flügel fest an den Leib gezogen, den andern weit ausgestreckt, kam das Tier, zu Tode getroffen, zur Erde nieder, und zwar gar nicht sehr weit von uns, auf dem von Bäumen freien, schmalen Strich, auf dem das Wettrennen zwischen dem Scheik und mir stattgefunden hatte. Halef rannte spornstreichs hin, um ihn zu holen, und der Zauberer vergab seine priesterliche Würde so ganz und gar, daß er ihm nacheilte, um ihm tragen zu helfen. Als sie den Adler brachten, sah ich, daß es ein außerordentlich schönes und großes Weibchen war, hellbraungolden, mit reinem, fleckenlosem Flügelspiegel, die Länge einen ganzen Meter, die Breite aber weit über zwei Meter betragend. Ich trug ihn zur Frau des Scheiks, legte ihn vor sie hin, breitete die Schwingen und Steuerfedern aus, die bei den Ussul sehr hoch im Wert stehen, und sagte:
    „Du hast diese Federn gewünscht. Ich bitte dich, sie von mir anzunehmen!“
    „Du willst sie mir schenken?“ fragte sie.
    „Ja, wenn du es mir erlaubst.“
    „Kennst du denn ihren Wert?“
    „Sie haben nur dann einen Wert für mich, wenn sie dir Freude machen.“
    „Sie werden hier in

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