24 - Ardistan und Dschinnistan I
Ardistan als Zeichen hoher Würde getragen und sind bei uns von großer Seltenheit, weil unsere Kugeln und Pfeile nicht den Adler in den Lüften zu ereilen vermögen. So reiche Geschenke darf man nur von einem Freund annehmen, nicht aber von einem Fremden, den man zum Knecht und Sklaven machen will. Ich bitte dich, mir deine Gewehre zu zeigen!“
Ich gab ihr erst die Doppelbüchse, deren schwere sie zu überraschen schien, denn sie reichte sie dem Scheik mit den Worten hin:
„Diese Fremden sind stärker als man denkt. Es ist gewiß nicht leicht, mit solchen Gewehren zu schießen.“
„Ich habe diese Flinte schon in der Hand gehabt“, antwortete er. „Aber ich ahnte nicht, daß sie ihre Kugeln nach so außerordentlichen Höhen sendet.“
Dann griff sie nach dem Stutzen. Sie betrachtete ihn genau, wendete ihn hin und her, hielt ihn an das Ohr, schüttelte ihn, um vielleicht etwas zu hören, und sagte dann:
„Das ist allerdings ein richtiges und wirkliches Zaubergewehr, denn sosehr man sich auch Mühe gibt, kann man doch unmöglich entdecken, wie es möglich ist, mit ihm immerfort zu schießen, ohne zu laden. Zu einem solchen Gewehr gehört aber auch ein Schütze wie du!“
So sagte sie zu mir. Zum Scheik aber sprach sie:
„Ich bin überzeugt, daß dieser Emir Kara Ben Nemsi Effendi imstande ist, dich und deine neunzehn Ussul in Zeit von zwei Minuten zu erschießen. Du nicht auch?“
„In Zeit von nicht zwei, sondern nur einer!“ warf Halef ein.
Der Scheik kratzte sich den Untergrund seines Bartes und antwortete:
„Daran ist fast kein Zweifel. Hoffentlich aber tut er es nicht! Und da habe ich einen großen, schönen, köstlichen Gedanken. Darf ich ihn dir sagen?“
„Sprich!“ forderte sie ihn auf.
„Solche Gewehre und so einen Schützen müßte man auf der Jagd haben!“
Sie nickte.
„Und im Kampf gegen die Tschoban!“
„Grad jetzt!“ fiel da der Zauberer ein. „Wir wissen ja, daß sie sich rüsten, uns zu überfallen.“
Um mich zu unterrichten, fügte Taldscha in erklärendem Ton hinzu:
„Wir schicken alle unsere Leute auf die Jagd, um Mundvorrat für diesen Kampf zu sammeln, der lange währen kann und stets sehr blutig ist.“
„Wer sind diese Tschoban?“ erkundigte ich mich, als ob ich es noch nicht wisse.
„Ein wildes Reitervolk, welches draußen auf der Steppe und in der Wüste lebt. Die Tschoban züchten Pferde, Kamele, Rinder und Schafe. Sie haben keine bleibende Stätte. Sie sind Nomaden; sie beten einen Gott an, den sie Allah nennen, und sie haben die Blutrache. Immer, wenn ein böses, hungriges Jahr ihre Herden weggefressen hat, fallen sie bei uns ein, um uns die unsrigen wegzunehmen. Wir erwarten für die nächste Zeit einen derartigen Einbruch in unser Gebiet, und nun machen wir Fleisch, um uns für die Belagerungen vorzubereiten, die wir auszuhalten haben werden.“
„Belagerungen?“ fragte ich. „Kämpft ihr nicht auf offenen Feld?“
„Nein. Dazu sind sie zu zahlreich, und wir haben vor allen Dingen unsere Tiere zu schützen. Wir ziehen uns mit ihnen hinter das Wasser zurück und lassen uns da von den Tschoban belagern. Wer es am längsten aushält, der hat gesiegt. Deine Gewehre tragen außerordentlich weit. Ob sie verzaubert sind, darüber frage ich dich noch. Von höchstem Wert ist es, daß du so genau zu treffen verstehst.“
Bei diesen Worten blickte sie sich, hob den herabgeschossenen Quittenzweig von der Erde auf, betrachtete ihn genau und fragte mich dann:
„Würdest du uns gegen diese Feinde beistehen, Emir?“
„Beistand zu leisten, ist man nur Freunden schuldig“, antwortete ich.
„Du bist doch unser Freund!“
„Noch nicht!“
„O doch!“
„Beweise es!“
„Ich habe es beschlossen!“
Sie sagte das in sehr bestimmtem Ton und sah dabei den Scheik und den Zauberer an. Der erstere beeilte sich, mir zu erklären:
„Ja, wenn sie es beschlossen hat, so kann es nicht anders sein. Ich stimme bei.“
Und der letztere sagte zu mir:
„Wenn unsere Scheikin beschließt, ist keine Beratung nötig. Sie trifft stets das Richtige. Ich gebe ihr meine Zustimmung gern. Wenn es dir recht ist, Emir, kannst du schon morgen, wenn wir nach unserer Stadt zurückgekehrt sind, Ussul werden. Das ist eine heilige Zeremonie, die ich als Priester vorzunehmen habe, nachdem du vorher bewiesen hast, daß du wert bist, ein Ussul zu sein.“
„Wie habe ich das zu beweisen?“
„Durch den Kampf mit einem unserer Leute. Besiegt er dich, so kannst du nicht
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