24 - Ardistan und Dschinnistan I
nahm die Menschen sehr schnell für sich ein. Wir beiden andern aber gingen ernst, ganz still auf den Spuren hin. Da bemerkte ich zum erstenmal den feinen, unerklärlichen Duft, der von Taldscha ausging. Es war Blumenduft, aber von welcher Blumenart, das konnte ich trotz alles Nachdenkens nicht entdecken, nicht unterscheiden. Ein uraltes, orientalisches Märchen sagt, daß die Schwingen der Engel aus Blumenduft gebildet seien und daß die menschliche Seele nur im Blumenduft ihren Körper verlassen und zu ihm wiederkehren könne. Und indem ich an dieses Märchen dachte, mußte ich mich an Sitara erinnern und an das Tal der Sternenblumen, durch welches ich an der Seite von Marah Durimeh so oft gegangen war. Als ich mich an dem unendlich lieben, reinen, keuschen Duft dieser Blumen entzückte, hatte meine alte Freundin und Beschützerin gesagt: „Es gibt unendlich wenig Seelen, die es verstehen, diesen Duft im Körper festzuhalten. Wenn du einen solchen Körper triffst, mag er noch so häßlich sein, so traue seiner Seele, denn sie stammt aus dem Licht, nicht aus der Finsternis, und wird dich niemals täuschen!“ Und nun fiel es mir mit einem Male ein, daß dieser Duft, der die Frau des Scheiks umfloß, der Duft der Sternenblumen war, und es kam ein wohltuendes Gefühl der Freude, des Vertrauens und der Sicherheit über mich. Hierzu kam die ungewöhnliche Art und Weise, wie Taldscha sprach. Es gab bei ihr keine Neugierde, keine Spur von Sucht, Gewöhnliches zu erfahren. Und man hörte jedem einzelnen ihrer Worte an, daß es wohl überlegt worden war. Sie erkundigte sich nach dem Abendland und gestand, daß dies das Land ihrer Sehnsucht sei. Sie hatte viel Böses und viel Seltsames von ihm gehört, glaubte aber nicht an diese Berichte. Sie äußerte sich hierüber: „Wäre alles wahr, was man über euch berichtet hat, so beständen eure Völker nur aus Dieben, Lügnern, Betrügern und bösen Zauberern, vor denen man sich sehr in acht zu nehmen hat. Gäbe es wirklich solche Völker, so gäbe es auch keinen Gott! Und ich sehe ja dich, der du ehrlich bist und uns nicht belogen und nicht betrogen hast, obwohl du genügend Veranlassung dazu hattest. – Ich freue mich, daß ich nun endlich die Wahrheit über jene fernen Länder hören kann, und es werden schöne Abende werden, an denen wir rund um das große Feuer sitzen und deinen Berichten lauschen.“
„Wie dir mit uns, so ergeht es mir mit euch“, antwortete ich. „Man hat mir so viel Unglaubliches und Fabelhaftes über euch erzählt, daß ich mich unbedingt vor euch fürchten müßte, wenn es mir überhaupt möglich wäre, Angst vor Menschen zu haben. Und nun sehe ich dich! – Du bist das helle, klare Gegenteil von dem, was ich erfuhr!“
„Und ich dich!“ gab sie mir mit einem kurzen, schalkhaften Lachen zurück. „Ihr wurdet bei uns und wir wurden bei euch verleumdet. Und nun, da wir so nahe beieinander stehen, ergibt es sich, daß wir uns erlauben dürfen, einander zu achten. So soll es sein, so weit die Erde reicht – das ist Gesetz! Wo Völker und Menschen sich nähern, soll es nie im Haß, sondern nur in Liebe geschehen. Gott will es so! Du kennst doch Gott?“
„Ja. Ich bin Christ.“
„Christ? – Also Heide?“
„Heide?“ fragte ich.
„Ja. Die Christen sind doch Heiden?“
„Wieso?“
„Weil jeder Mensch, der sich nicht zu unserer Religion bekennt, ein Heide ist.“
„So sagen auch wir, indem wir jeden, der nicht an den Gott der Christen glaubt, als Heiden bezeichnen.“
„Das ist wohl recht und billig. Ihr haltet eure Religion ebenso für richtig, wie wir die unsrige. Ihr habt also genau dasselbe Recht, uns Heiden zu nennen, wie wir euch.“
„So erlaube mir, dich nach eurem Glauben zu fragen, wie du mich nach dem unsern gefragt hast!“
„Nach unserem Glauben? – Wir haben keinen!“
„Unmöglich!“
„O doch! Wir haben Gott. Wozu brauchen wir da noch einen eigenen Glauben an ihn? Wir glauben nicht an ihn, sondern wir haben ihn. Wenn dein Vater noch lebt, wenn er wirklich und persönlich bei dir wohnt, so glaubst du doch nicht nur, daß du einen Vater hast, sondern du weißt es so genau, daß das Wort Glaube völlig ausgeschlossen ist. Die Ussul haben eine Religion, aber keinen Glauben! Sie haben Gott! Das ist das Höchste, was es gibt. Das geht noch über jede Art des Glaubens!“
Das klang so sonderbar, so stolz, so felsenfest und unerschütterlich! Es konnte mir nicht einfallen, mich jetzt, heut, da wir uns noch
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