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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sträucher, die alle den wasserliebenden Pflanzenarten zugehörten. Der Baumschlag war sehr spärlich. Obstbäume nach unseren Begriffen sah man nicht. So sich ein Baum oder Busch mit Früchten zeigte, schien er mir unmittelbares Naturerzeugnis, nicht aber Veredelung zu sein. Weil der Verkehr der Einwohner unter sich nur auf dem Wasser bewerkstelligt werden konnte, nahmen wir alle möglichen Arten primitiver Ruderfahrzeuge wahr, vom großen Einbaum im Fluß an bis zu dem kleinen, aus zusammengebundenen Weidenruten bestehenden Floß im seichten Graben herab. Brücken waren auffallend wenige zu sehen. Jedenfalls liebte man diese Art der Verbindung nicht. Was man nicht einfach überspringen konnte, das wurde durch Rudern oder Schwimmen überwunden. Wir sahen nicht nur Kinder, die wie die Fische schwammen und tauchten, sondern auch Erwachsene, die ganz dasselbe taten. Daß dabei ihre allerdings spärliche Bekleidung naß wurde, das galt ihnen offenbar nichts.

DRITTES KAPITEL
    In Ussula
    Unser Weg führte nach dem sogenannten ‚Schloß‘ oder ‚Palast‘, der in der Mitte der Stadt direkt am Fluß lag. Dieser Weg war einer der wenigen wirklichen ‚Wege‘, die es gab. Die Anwohner desselben standen zu unserem Empfange bereit, mit ihnen zahlreiche andere Leute aus jenen Stadtteilen, die unser Einzug nicht berührte. Aber alle verhielten sich außerordentlich still. Da wir keine Spur jener Freuden- oder gar Jubelrufe, welche anderorts bei derartigen Gelegenheiten erschallen. Auch die Kinder verhielten sich ruhig. Wo wir uns zeigten, wichen sie furchtsam zurück und sperrten die Mäuler auf. Um nicht undankbar zu sein, muß ich erwähnen, daß allerdings einige Male ein schüchterner Versuch gemacht wurde, unserem Empfange ein festliches Gepräge zu geben. Das geschah nämlich dann, wenn wir an einem vorüberkamen, der ein Gewehr besaß. Dieses wurde dann abgeschossen, aber unter solchen Vorbedingungen und mit einer derartigen Wichtigkeit, als ob es sich um ein ganz außergewöhnliches staatserrettendes Ereignis handelte. War dann aber der Knall verpufft, so fiel die zurückgekehrte Stille doppelt auf. Der voranreitende Scheik aber blickte nach jedem dieser Schüsse nach uns zurück, um sich von der Wirkung zu überzeugen. Halef lächelte hierüber. Er mochte an den Empfang denken, den wir bei seinem Stamm, den Haddedihn, finden würden. Da krachten sicher Tausende von Flinten, und das Pulver blitzte zentnerweise in die Luft! Und welch ein Jubel! Welches Geschrei! Und nun dagegen hier! Das Lächeln verschwand indes nach und nach von seinem Gesicht. Er wurde ernst.
    „O Sihdi“, sagte er, „was sind das für arme Leute! Sie haben nur so wenig Flinten, und das Pulver scheint bei ihnen sehr teuer zu sein. Aber das ist bei ihnen nicht der einzige Grund. Die Hauptursache liegt in ihrer Seele; das sehe ich ihnen nun an. Sie können auch innerlich nicht! Auch im Lande ihrer Seelen gibt es keine Gewehre, und auch in ihrem Charakter und ihrer Natur ist das Pulver teuer! Was kann, was soll, was wird aus solch einem Volk werden?“
    „Hm! Soeben erst hast du mir versichert, daß sie mir gerne gehorsam sein und alles tun werden, was ich verlange!“
    „Das glaubte ich, glaubte es wirklich. Jetzt aber kommt es mir vor, als ob ich es nicht mehr glauben dürfe. Die, mit denen wir bisher sprachen, sind die obersten, die klügsten und also auch die lebendigsten ihres Volkes. Die konnte ich begeistern, wenn auch wahrscheinlich nur für kurze Zeit. Aber die unter ihnen stehen, nämlich diese da, die uns anstarren, ohne einen einzigen Laut hören zu lassen, die sind wohl schwer, sehr schwer zu veranlassen, mit uns nach dem Engpaß Chatar zu reiten, um ihre Feinde niederzuringen! Meinst du nicht auch?“
    „Warten wir es ab! Man darf nicht so, wie du es tust, zwischen Hoffnungen und Befürchtungen hin- und herschwanken, sondern man muß lernen, mit den gegebenen Kräften zu rechnen. Du mußt diese guten Leute nicht mit deinem, sondern mit ihrem Maßstabe messen. Es liegt in ihrer Natur, daß sie nur schwer in Gang zu bringen sind; aber wenn sie erst einmal laufen, dann kannst du sicher sein, daß sie nicht bei der geringsten Veranlassung gleich wieder stehenbleiben werden.“
    Während ich dies sagte, hielt Taldscha, die mit dem Scheik voranritt, ihr Pferd an, bis ich sie eingeholt hatte. Dann setzte sie den Ritt fort und sagte:
    „Wir kommen bald an dem Gefängnis vorüber, und zwar an dem hinteren Teil desselben, wo sich der

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