24 - Ardistan und Dschinnistan I
meiner Hand und bat:
„Ruf du ihn zurück, ruf du! Dir wird er gehorchen! Sonst ist er verloren!“
Da bat ich sie:
„Hab keine Angst um ihn! Er wird nichts Schädliches unternehmen, denn er weiß, ich bin dabei!“
Der Zauberer aber brüllte dem kleinen Hadschi zornig zu:
„Das darfst du nicht! Das kostet dich dein Leben! Kehr augenblicklich zurück! Sonst komme ich hinüber!“
„So komm! Oder bist du zu feig dazu?“
Halef drehte sein Pferd herum und sah zu ihm herüber. Da machte der Sahahr seine Drohung wahr und ritt hinüber. Er konnte das wohl ganz ohne alle Gefahr, so meinte er, denn er war ja der Herr der Bluthunde; ihm mußten sie gehorchen. Dies war ihnen durch Kette, Hunger und Schläge beigebracht worden. Und dafür hatten sie jetzt, da sie frei von der Kette waren, ihn noch zu lieben. Aber er hütete sich wohl, seinen dicken, ungefügen Urgaul zum Sprung zu bewegen, denn der wäre auf alle Fälle viel zu kurz geraten. Er trieb den Gaul hübsch langsam in das Wasser hinein, paddelte hinüber und kam ebenso hübsch langsam drüben wieder heraus. Halef sah ihm lachend zu; dann fragte er: „So! Nun bist du da! Wie willst du es jetzt verhüten, daß ich den Dschirbani sehe und mit ihm rede?“
„Indem ich es dir verbiete!“ antwortete der Gefragte.
„Sag doch nicht so lächerliche Dinge! Wer mir etwas verbieten will, der muß ein anderer Kerl sein als du! Ich reite hin zu ihm!“
Er wandte sein Pferd wieder dem Eingang des Zauns zu. Da zog der Sahahr sein Messer und rief:
„Du bleibst! Sonst renne ich dir diese Klinge in die Brust!“
Schleunigst hatte Halef seine Pistole in der Hand, hielt sie ihm entgegen und antwortete:
„Wage es! Aber bedenke, daß meine Kugel schneller ist als dein Messer!“
Dieser laute, ja zornige Wortwechsel hatte unter fortwährendem Geheul der Hunde stattgefunden. Sie waren schon bei Halefs Annäherung am Zaun emporgesprungen. Als der Sahahr, ihr Peiniger, folgte, verdoppelte sich ihre Wut. Sie versuchten, den Zaun zu überspringen, was ihnen jedoch nicht gelang, denn sie waren zu schwer; sie fielen immer wieder zurück. Das steigerte ihren Grimm. Der dritte war indes nicht nur der schlankere, sondern auch der intelligentere. Als er sah, daß ihm der Sprung nicht gelang, versuchte er es mit dem Klettern. Auch das mißlang. Nun verband er das Springen mit dem Klettern. Er nahm einen Anlauf und tat einen Sprung, der ihn bis zu drei Viertel der Zaunhöhe emporbrachte, rutschte aber wieder ab, weil es ihm für dieses Mal nicht gelang, sich mit den Hinterfüßen an der Querstange festzuhalten. Brachte er dieses fertig, so kam er bei dem zweiten Sprung sicher über den Zaun und war dann gewiß ebenso gefährlich wie ein Panther oder Tiger. Der zweite Versuch gelang schon besser als der erste. Vorsichtshalber rief ich jetzt Halef zu:
„Zurück! Schnell zurück! Bewahre das Pferd vor dem Hund!“
Eben hatte er die Pistole gezogen, fest entschlossen, seinen Willen durchzusetzen. Er hätte mir wahrscheinlich nicht gehorcht, wenn ihn nicht die Liebe zu Ben Rih beeinflußt hätte. Persönlich fürchtete er sich ganz und gar nicht vor diesen Hunden; aber seinen geliebten Rappen unnötig ihren Zähnen preiszugeben, so töricht war er nicht. Er warf also nur noch einen kurzen Blick nach dem Zaun, wo der Hund jetzt grad zum letzten Sprung ansetzte, und beeilte sich, meinem Befehl nachzukommen. Eben als Ben Rih mit seinem Reiter wieder über das Wasser sprang, kam der Hund über den Zaun herübergeflogen. Ich griff, um Unglück zu verhüten, zum Henrystutzen, war aber nicht so schnell, wie es hätte sein sollen. Der Bluthund hatte diesseits des Zauns kaum Boden gefaßt, so stürzte er sich auf seinen Herrn. Er stieß dabei ein Geheul aus, wie aus Freude, seinen Quälgeist nun endlich, endlich einmal vor sich zu haben, ohne durch Ketten, Stricke, Stacheln und Peitschen an der Vergeltung behindert zu sein. Die Bestie sprang am Pferd empor, faßte den Reiter, dem vor Schreck das Messer entglitt, am Oberschenkel, riß ihn auf die Erde herab und hätte ihm ganz gewiß zunächst die Gurgel zerfleischt, wenn ich dem Vieh nicht schnell eine Kugel in den Leib gejagt hätte. Es gleich mit diesem ersten Schuß zu erlegen, war mir unmöglich, weil ich kein sicheres Ziel hatte. Auf Kopf oder Brust der Bestie konnte ich nicht anlegen, da ich anstatt des Hundes sehr leicht den Menschen treffen konnte. Darum hatte ich nur auf den Körper gezielt, um den Hund von seinem Opfer
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