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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Heide?“
    „Ja.“
    „Und dennoch liebst du ihn?“
    „Ganz gewiß! Ist es bei euch wohl anders? Haßt und verfolgt ihr eure Heiden? Haltet ihr sie vielleicht gar für schlechtere, für minderwertige Menschen?“
    „Ja, das tut der Islam allerdings.“
    „Wie falsch!“
    „Falsch? Ist es wohl richtiger, sie für räudig oder für verrückt zu erklären?“
    Die Frau des Scheiks ging in echter Frauenweise über diese Frage hinweg, als hätte sie sie gar nicht gehört, und sagte:
    „Du wolltest wissen, was aus dem Dschinnistani geworden ist, und ich teilte dir mit, daß er jährlich hinauf nach seiner Heimat geritten ist. Einst kehrte er nicht mehr zurück. Man hat ihn nie wieder gesehen. Alle Nachforschungen sind vergeblich gewesen. So war man gezwungen, anzunehmen, daß er unterwegs in die Hände der Tschoban gefallen ist, die ihn ermordet haben. Hierüber ist seine Witwe, meine Freundin, vor Schmerz und Gram zugrunde gegangen. Ihr Sohn hat sie auf der Insel der Heiden bestattet und ihr mitten unter Blumen einen Stein gesetzt, auf dem geschrieben steht:
    ‚Das Erdenleben ist ein Läuterungsfeuer,
aus dem dich nur der Glaube befreien
und zum wahren Menschen erheben kann!‘
    Wenn ihr es wünscht, werde ich euch nach dieser Insel führen, um euch das Grab und die Schriftsäule zu zeigen. Jetzt aber sprechen wir nicht mehr davon; der Scheik hört es nicht gern.“
    Wir hatten diesen nämlich jetzt eingeholt und erreichten bald hernach auch den Sahahr, der sich inzwischen beruhigt hatte und nun über die Raschheit seines Temperaments verlegen zu sein schien. Die sich jetzt entspinnende Unterhaltung vermied den bisherigen Gegenstand. Ich beteiligte mich fast gar nicht an ihr, denn was ich über den Dschirbani gehört hatte, beschäftigte meine Gedanken und Empfindungen vollständig. Ich begann zu ahnen, daß sich mir hier bei den Ussul eine Welt erschließen werde, welche bis jetzt der meinigen größtenteils fremd gewesen war.
    Etwas über die Mitte des Nachmittags kam uns eine Menge Reiter entgegen, die uns von der Stadt aus zu begrüßen hatten. Es waren die Ältesten und allerlei Beamte oder sonstwie Leute, die irgendeine nicht ganz gewöhnliche Stellung innehatten. Sie waren über uns unterrichtet, denn sie hatten die gestrige Botschaft ihres Scheiks erhalten. Daß der ‚Erstgeborene‘ der Tschoban ergriffen worden sei, war für sie eine Neuigkeit von allergrößter Wichtigkeit. Sie waren uns entgegengeritten, um ihn so bald wie möglich zu sehen. Und nicht minder groß war ihr Interesse für die beiden Fremden, denen sie diesen Fang zu verdanken hatten. Sie sahen uns wie Wunderwesen an, und als ich während des Weitermachens gelegentlich einige gutgezielte Schüsse abfeuerte, wuchs ihre Bewunderung ins Riesenhafte. Ich meinerseits verhielt mich zurückhaltend gegen sie; ich brachte ihnen zunächst nur ein allgemeines, wissenschaftliches Interesse entgegen. Sie zeichneten sich alle durch ungewöhnliche Körpergröße aus. In ihrer Kleidung und Bewaffnung glichen sie dem Scheik. Die ganze Truppe, die über vierzig Personen stark war, zählte nur fünf schlechte Gewehre. Ihre Gäule glichen Smihk, dem Dicken, doch muß ich aufrichtig gestehen, daß dieser noch der schönste und edelste von allen war.
    Der kleine Hadschi verhielt sich ganz anders als ich. Kaum hatte er sie gesehen, so wurde er auch schon vertraulich mit ihnen. Die Achtung, mit der sie ihn trotz seiner geringen Körpergröße behandelten, gefiel ihm ungemein. Als sie den Wunsch äußerten, die drei Tschoban zu sehen, erklärte er sich sofort bereit, mit ihnen zurückzubleiben, um sie ihnen zu zeigen und hierbei zu erzählen, wie es uns gelungen sei, sie zu besiegen und festzunehmen. Ich hütete mich, ihn hiervon abzuhalten, denn daß er nur bestrebt sein werde, ihre Hochachtung zu vermehren, anstatt sie zu vermindern, das wußte ich ganz genau. Er wartete also mit ihnen, um unsern eigentlichen Trupp mit den Gefangenen herankommen zu lassen. Nur die Ältesten, fast lauter hochbejahrte Leute, blieben bei uns und kehrten um, um mit uns zu reiten.
    Die Einsamkeit, die uns bisher begleitet hatte, minderte sich. Schon tauchten hier und da Leute aus dem Volk auf, und es zeigten sich kleinere und größere Herden von Pferden, Rindern, Schafen, sogar von Ziegen. Hirten standen dabei. Auch etwas Ähnliches wie Felder trat auf. Bei uns in Deutschland würde man freilich derartige Stellen für vollständig verwahrlost und verwildert halten. Der Wald

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