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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ausgebildeten Schwimmhäuten versehen waren, doch war dieser Brust und diesen Schenkeln mehr Kraft und Ausdauer als Sprungfertigkeit und Schnelligkeit zuzutrauen. Man brauchte diese mächtigen Geschöpfe nur anzusehen, so war man hinlänglich gewarnt. Sie hinterließen außer dem Eindruck der überaus rohen, physischen Kraft auch den der Arglist und Verschlagenheit, und nie ist mir bei dem Anblick eines Tieres der Ausdruck ‚Bestie‘ so klar geworden, als in dem Augenblick, da ich diese Blut- und Bärenhunde sah.
    Sie hatten uns kommen hören und sich, um uns sehen zu können, grad so nach vorn an den Zaun gesetzt, daß wir sie sehr deutlich wahrnehmen mußten. Zwei von ihnen waren bedeutend strammer, derber und schwerer gebaut als der dritte, der etwas schlanker und jedenfalls jünger und behender war als die andern. Ob für ihn die Höhe des Stangenzauns genügte, ihn festzuhalten, das wäre für mich eine sehr wichtige Frage gewesen. Kam es einem so blutgierigen, auf den Menschen dressierten Vieh in den Kopf, über den Zaun und dann noch über das Wasser zu springen, so war das Unglück, welches hierdurch entstehen konnte, gar nicht abzusehen. Das war nun aber Sache des Sahahr; er mußte wissen, wie weit er diese Bestien in der Gewalt hatte oder nicht. Wie ich später erfuhr, war er der eigentliche Züchter und Abrichter dieser Riesenhunde, denen nur durch Qual und Pein, durch immerwährende Hiebe und Schläge jener Haß gegen die Menschen aufgezwungen werden konnte, der ihnen dann als Vorzug angerechnet wurde. Priester, Zauberer und Bändiger von Bluthunden! Wie sonderbar dies zusammenklang! Aber nun wurde mir sein grausames Verhalten gegen Tochter und Enkel erst erklärlich. Wer imstande ist, einen treuen, gehorsamen, liebesbedürftigen und dankbaren Hund zum blutgierigen Menschenhasser zu verquälen und zu verprügeln, der ist wohl auch imstande, gegen seinesgleichen so zu handeln, wie der Sahahr gehandelt hatte. Ich begann, an der Gutmütigkeit dieses Mannes zu zweifeln und sie für nichts weiter, als für eine betrügerische Maske zu halten. Daß er auch jähzornig und aufbrausend war, hatte er bereits bewiesen.
    Grad als mich dieser Gedanke beschäftigte, wurde ich von dem Sahahr angesprochen. Er sah, daß Halef und ich mit Aufmerksamkeit nach dem Stachelzwinger schauten; er erinnerte sich seines Zorns über unser Gespräch, und da kehrte dieser Zorn ihm zurück. Er wandte sich uns zu, deutete über das Wasser hinüber und sagte:
    „Da drüben steckt der Mensch, von dem ihr ganz gewiß noch viel gesprochen habt. Wollt ihr ihn sehen?“
    „Ja“, antwortete Halef sofort, obgleich er sehr wohl wußte, daß diese Frage nur höhnisch gemeint war.
    „So reitet hinüber!“ lachte der Zauberer.
    „Über das Wasser?“ fragte der Kleine.
    „Ja“, lachte der andere.
    „Ist das dein Ernst?“
    „Mein voller Ernst!“ versicherte der Sahahr, der es für vollständig unmöglich hielt, daß man einen solchen Sprung wagen könne.
    „Wohlan! – Dir zu Gefallen werde ich es tun!“
    Im nächsten Augenblick flog Halef auf seinem prächtigen Assil Ben Rih durch die Luft und landete drüben auf festem Boden, ohne daß die Hufe seines Pferdes auch nur einen Tropfen des Wassers berührt hatten. Ringsum war ein Schrei des Schreckens erklungen; jetzt erscholl ein zweiter, nämlich ein Schrei der Anerkennung, der Bewunderung. Die drei Riesenhunde richteten sich sofort an der Innenseite des Zauns empor und erhoben ein drohendes Bellen und Heulen.
    „Da bin ich!“ lachte Halef herüber. „Was soll ich nun noch tun?“
    „Zurück, augenblicklich zurück!“ befahl ihm der Sahahr.
    „Fällt mir ja gar nicht ein! Du hast mich herübergeschickt, den Dschirbani zu sehen, und das werde ich jetzt tun!“
    „Nein, nein! Es ist verboten!“
    „Verboten? Von wem?“
    „Von mir!“
    „Unsinn! Grad du hast es mir erlaubt! Oder glaubst du etwa, ich lasse mit mir spielen?“
    Er wandte sein Pferd dem Zaun zu.
    „Um Gottes willen, die Hunde, die Hunde!“ warnte die Frau des Scheiks voller Angst.
    „Die möchten ihn fressen!“ rief der Sahahr. „Aber er soll ihn nicht sehen! Er darf ihn nicht sehen! Denn er würde mit ihm sprechen! Und das will, das will ich nicht! Also zurück, zurück! Herüber!“
    „Fällt mir, wie ich dir schon sagte, gar nicht ein!“ Und um den Zauberer ganz sicherlich zu ärgern, fügte Halef hinzu: „Ich spreche mit ihm! Ich hole ihn sogar heraus!“
    Da griff die Frau des Scheiks besorgt nach

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