24 - Ardistan und Dschinnistan I
wegzubringen. Dieser Zweck wurde erreicht. Kaum war der Hund getroffen, so ließ er den Sahahr los, tat einen Seitensprung und sah sich nach dem neuen Feind um. Sein Auge fiel auf mich, der ich noch fest im Anschlag lag, um ihm die zweite Kugel, die nun töten mußte, zu geben. Nun nahm er alle seine Kraft zusammen. Mit zwei Sprüngen kam er an das Ufer, beim dritten flog er über das Wasser herüber. Das gab mir ein gutes Ziel. Meine Kugel traf ihn im Flug, und zwar so tödlich, daß er, als er diesseits den Erdboden erreichte, sofort zusammenbrach und liegenblieb. Ein kurzes, konvulsivisches Zucken lief über den riesigen Körper, der sich streckte, und dann war die Bestie verendet.
Drüben heulten die beiden anderen Hunde. Zwischen Zaun und Wasser brüllte der vor Schmerz sich windende Zauberer um Hilfe. Und hüben gab die Menge der Ussul ihre Freude über diesen Schuß durch laute Zurufe kund. Man sah, daß auch sie zu begeistern seien, nur bedurfte es hierzu so seltener und kräftiger Mittel, wie dieses Ereignis war. Wir hatten gar nicht Zeit, auf diesen Beifall zu achten. Es war vor allem nötig, dem Sahahr zu Hilfe zu kommen. Er schien zwar nur am Schenkel verwundet zu sein, aber falls etwa eine wichtige Ader verletzt worden war, konnte es sich immerhin um Tod und Leben handeln. Halef setzte also wieder über den Kanal hinüber, und ich folgte ihm auf meinem Syrr, der das Hindernis mit einer so eleganten Leichtigkeit nahm, daß er ringsum laut bewundert wurde. Halef sprang von seinem Pferd, um sich zu dem Sahahr niederzubücken und nach seinen Verletzungen zu sehen; dieser aber schrie ihn giftig an:
„Weg! Fort mit dir! Rührt mich nicht an! Ich mag euch nicht sehen! Ihr seid schuld daran, daß ich verstümmelt worden bin! Hättest du mir gehorcht, so wäre ich drüben geblieben! Fort, sage ich! Fort, fort mit dir!“
Er rief zu den Ussul die Namen einiger Leute hinüber, die er haben wollte. Diese folgten seinem Zuruf in ganz derselben Weise, in der er vorher den Kanal durchquert hatte; sie gingen also sehr gemächlich in das Wasser und paddelten herüber. Dann stiegen sie von ihren Gäulen und begannen sich mit ihm zu beschäftigen. Unser Reiterzug und die ihn begleitende Menge blieb stehen, um sich die Sache weiter anzuschauen.
Halef schwang sich wieder in den Sattel, weil er infolge der Abweisung, die er erfahren hatte, annahm, daß wir sofort zum Zug zurückkehren würden. Damit zögerte ich aber, denn mir lag daran, den Dschirbani zu sehen. Es war jetzt die beste, vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit dazu, und es wäre ein Fehler gewesen, sie unbenutzt verstreichen zu lassen. Darum ritt ich nach der Tür des äußeren Zauns, hinter dem sich die beiden Bluthunde befanden. Halef kam hinter mir her. Er nahm sein Gewehr von der Schulter und sagte:
„Sie können freilich nicht heraus; aber bei derartigen Ungetümen muß man auf alles gefaßt sein. Wenn sie uns gefährlich werden, schieße ich beide sofort nieder.“
Das sah der Sahahr. Trotz seiner Verletzung nahm er sich die Zeit, sich um uns zu kümmern; er schrie dem Hadschi zu:
„Wage es ja nicht, zu schießen! Wer mir einen dieser Hunde tötet, der bekommt es mit mir zu tun! Macht euch von dannen! Was habt ihr dort zu suchen? Ich verbiete es euch!“
Wir achteten auf diese Worte nicht, weil er allein sich unserer Annäherung an den Stachelzwinger widersetzte. Alle andern, der Scheik und die ältesten dabei, hatten nicht nur nichts einzuwenden, sondern waren sogar gespannt darauf, was jetzt wohl geschehen werde. Wir näherten uns also der bezeichneten Tür, ritten aber nicht ganz dicht hinan, um die Hunde nicht noch mehr aufzuregen; sie bellten und heulten nicht nur, sie brüllten förmlich und gebärdeten sich, als ob sie den Zaun in Stücke reißen wollten. Sogar Halef, der Mutige und oft sogar Übermutige, ließ sich einschüchtern und hielt sich ein wenig hinter mir.
„Das ist fürchterlich! Fast gar nicht auszuhalten!“ schrie er mir laut zu. Er mußte so rufen, sonst hätte ich ihn infolge des entsetzlichen Lärms der Hunde nicht verstanden. „Diese Scheusale sind gar nicht von der Erde, sondern sie stammen aus der Hölle!“
„So schlimm ist es nicht“, rief ich zurück. „Schau unsere Pferde an! Siehst du etwa, daß sie sich fürchten?“
„Nein! Sie sind so ruhig wie immer! Wie das wohl kommt?“
„An ihrer Abstammung liegt das nicht. Auch das edelste Geschöpf hat Furcht vor der Bestie. Sie scheinen die Hunde also
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