24 - Ardistan und Dschinnistan I
habe recht!“ versicherte ich. „Hast du aufgepaßt, als der Hund, den ich erschoß, sich auf seinen eigenen Herrn stürzte?“
„Ich habe es gesehen, aber erst dann, als der Sahahr bereits am Boden lag.“
„Das war zu spät: das war das, was ich sagen will, schon vorüber. Ich habe genau aufgemerkt, wie diese Hunde dressiert sind. Sie reißen den Menschen vorher nieder, und erst wenn dies geschehen ist, beißen sie drauflos. Die Hauptsache ist also erstens, sich nicht werfen zu lassen, und zweitens, zu verhüten, daß sie an Hals und Gurgel kommen. Auch wird der Dschirbani mir helfen.“
„Der? – Wieso?“
„Er muß die Hunde beschäftigen, daß sie sich trennen, damit sie nicht beide zugleich nach mir springen.“
„Allah sei Dank! Dieser Gedanke ist gut. Meine Sorge um dein Leben vermindert sich bereits. Dennoch aber sage ich dir: Ich nehme deinen Stutzen zur Hand, und wenn es einem dieser Hunde gelingen sollte, dich niederzureißen, so bekommt er augenblicklich so viele Kugeln in den teuflischen Leib, daß er gar nicht Zeit hat, sie zu zählen!“
Ich gab Halef meine Waffen. Dann band ich mir den Gürtelschal von den Hüften und wand ihn mir, so lang er war, um den Hals.
„Er will! Er will! Er wird! Er wagt es! Er tut es!“ klang es vielstimmig bei den Ussul, als sie meine Vorbereitung sahen.
Die Warnungen wiederholten sich. Auch der Dschirbani rief mir die seinige nochmals herüber. Ich aber antwortete ihm:
„Fürchte nichts! Wenn du mich unterstützt, werde ich siegen.“
Dies hatte ich nur so laut gesprochen, daß er es hören konnte. Da trat er ganz nahe an die Pforte heran und fragte mich mit unterdrückter Stimme:
„Wie gern möchte ich dich unterstützen! Aber wie könnte ich das?“
„Indem du stark an deiner Türe rüttelst, als ob du herauswolltest. Wenn du das tust, so hoffe ich, daß einer der Hunde sich gegen dich richtet und ich es also nicht mit beiden zugleich zu tun haben werde.“
„Wie gern will ich das tun, wie gern! Aber wann? Sag mir den Augenblick!“
„Jetzt gleich! Du kannst sofort beginnen!“
Ich stand mehrere Schritte von der Türe des äußeren Zaunes entfernt. Er befand sich den Hunden also viel näher, und als er jetzt an seiner, also der inneren Tür, zu arbeiten, zu stoßen und zu pochen begann, wandten sich beide gegen ihn, mir aber den Rücken zu. Sie heulten überlaut. Das war der rechte Augenblick für mich. Ich sprang zur äußeren Tür, schob den Riegel weg und riß sie auf. Da hörte man einen einzigen, aber vielstimmigen, großen Schrei des Schreckes rund umher: dann aber trat plötzlich tiefe Stille ein. Die Entscheidung war da; sie stand unsichtbar neben mir, an der geöffneten Tür, durch welche zu treten ich mich sehr wohl hütete. Sie war nicht breit genug für zwei so große, starke Hunde. Es konnte nur einer allein heraus. Indem ich draußen blieb, sicherte ich mir den Vorteil zu, daß mich nur einer von ihnen angreifen konnte. Momentan achteten sie aber gar nicht auf mich. Ihre ganze Aufmerksamkeit war nur allein auf die innere Pforte gerichtet, an welcher der Dschirbani rüttelte. Daß ich die meine geöffnet hatte, das sahen sie nicht eher, als bis ich durch einen lauten Ruf ihre Blicke auf mich zog.
Es kann nicht meine Absicht sein, durch die Erzählung dieses Ereignisses nach einem Ruhm zu trachten, den ich nicht verdiene. Was ich jetzt tat, war nämlich kein so großes Wagnis, wie es schien. Schon Hunderte und Aberhunderte hatten es gewagt, und zwar oft mit Erfolg. Das war drüben in Nordamerika, als in den Süd- und Mittelstaaten der Union noch die Sklaverei bestand. Wie viele jener armen Menschen waren da ihren mitleidslosen, grausamen Herren entflohen! Wie viele dieser Flüchtlinge hatte man mit Bluthunden gehetzt, die eigens für diese Negerjagden dressiert worden waren! Die Schwarzen waren gewöhnlich unbewehrt. Ihre einzige Waffe gegen die gefährlichen Hunde bestand in dem Trick, ihnen in dem Augenblick, in dem diese nach der Kehle schnappten, die Arme fest um den Hals zu schlagen und die Gurgel derart zusammenzupressen, daß ihnen der Atem verging. Ließ man sie dann fallen, so waren sie erstickt. Freilich durfte dieser Druck der Arme keinen Augenblick zu früh oder zu spät kommen, sonst war der Flüchtling verloren. Jeder Sklave, der auf Flucht sann, übte diesen Griff und Druck. In den Turnvereinen geschah dasselbe. Von jedem Hundehändler bekam man gegen Entgelt irgendeine alte, sonst nutzlos gewordene Bestie
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