24 Stunden
Liebling. Wenn du zur Toilette musst, gehst du allein. Lass dir nicht von Mr. Huey helfen, auch wenn er nett ist. Du kennst ihn nicht gut genug.«
Hickey ließ seine Kippe fallen und trat sie mit dem Fuß aus. »Besuchszeit zu Ende«, rief er. »Einsteigen.«
Abby klammerte sich schreiend an Karens Nacken.
»Komm«, sagte Hickey und ging auf sie zu. »Sag deiner kleinen Prinzessin auf Wiedersehen.«
»Neiiiin!«, schrie Abby. »Neiiiiiin!«
Karen warf Hickey über Abbys Schulter einen flehenden Blick zu. »Bitte! Kann ich nicht bis morgen früh hier bei ihr bleiben? Dadurch ändert sich doch nichts an Ihrem Plan.«
»Wir haben doch über diese ganze Scheiße lang und breit gesprochen.« Hickey streckte seine Arme aus. »Lass das Kind los.«
Karen wich mit Abby im Arm zurück. Sie wusste, dass es sinnlos war, aber sie konnte einfach nicht anders. Zwei Millionen Jahre Evolution würden sie nicht dazu bringen, freiwillig ihr Kind herzugeben. Hickey stürzte sich auf Abby, packte sie unter den Armen und zog an ihr wie an einem Sack Kartoffeln. Abby brüllte wie am Spieß.
»Hören Sie auf!«, schrie Karen. »Hören Sie auf! Sie tun ihr weh!«
»Dann komm jetzt endlich, verdammt!«
Karen schrie verzweifelt auf und ließ Abby los.
Aus Abbys Mund drang ein herzzerreißender Schrei.
Karen nahm die Kühltasche, rannte zu Huey und hängte den Griff der Kühltasche über seine dicken Finger. In der Tasche waren Spritzen, fünf Fläschchen Insulin und ein Fläschchen Humalog. »Nehmen Sie das bitte. Wenn es Abby übel wird oder sie die Besinnung verliert, rufen Sie mich an. Ich sage Ihnen dann, was Sie machen müssen.«
Auf dem Gesicht des Riesen spiegelten sich Unsicherheit und Angst. »Ja, Madam. Ich...«
»Halt den Mund«, schrie Hickey. »Steig mit dem Kind in den Wagen, Schwachkopf!«
Karen legte beide Hände auf Hueys Brust. »Ich weiß, dass Sie ein guter Mensch sind. Bitte tun Sie meiner Kleinen nicht weh!«
Huey riss den Mund auf und entblößte seine gelben Zähne. »Ihrer Kleinen wehtun?«
Hickey stieß Abby in Hueys Arme, ergriff Karens Ellbogen und zog sie zum Wagen.
»Ich komme morgen früh zurück, Abby«, versprach Karen. »Wenn du morgen früh die Augen aufmachst, bin ich schon da.«
Abby schrie noch immer wie am Spieß. Schließlich presste Karen ihre Hände auf die Ohren, um die unerträgliche Qual zu lindern. Doch auch das half nicht. Zehn Meter vom Wagen entfernt stieß sie ihren rechten Ellbogen gegen Hickeys Schädel und rannte zu den anderen Scheinwerfern zurück.
Auf halber Strecke schlug Hickey ihr mit einem harten Gegenstand auf den Hinterkopf, und sie fiel der Länge nach in den Dreck. Sie hörte das Zuschlagen einer Tür und kurz darauf das Quietschen eines lockeren Keilriemens, als Hueys Kleinlaster langsam die Straße hinunterfuhr.
Hoch oben im Beau Rivage Hotel Biloxi klingelte das Telefon in der Suite 28021. Will griff vor Cheryl zum Hörer.
»Hickey?«, sagte er. »Sind Sie es?«
»Will?«, sagte eine unsichere Stimme.
»Karen!«
Ihr Weinen drang an sein Ohr, und das war fast mehr, als er ertragen konnte. Es gehörte viel dazu, Karen Jennings zum Weinen zu bringen.
»Hast du Abby gesehen?«, hörte er sich sagen, obwohl seine Kehle wie zugeschnürt war. »Hast du ihr das Insulin gespritzt?«
»Will, sie ängstigt sich zu Tode! Ich habe ihr acht Einheiten gespritzt und noch Insulin und Spritzen dagelassen. Es war entsetzlich... «
Karen schluchzte laut. Dann wurde ihre Stimme durch Hickeys ersetzt. »Sie können sich beruhigen, Sportsfreund. Ihre Tochter hat ihre Medizin bekommen. Jetzt ist Feierabend.«
»Warten Sie!«
Hickey hatte schon aufgelegt. Will atmete langsam aus und versuchte, seine rasende Wut zu bekämpfen. Seine Handlungsunfähigkeit machte ihn fix und fertig. Wenn er wenigstens etwas gegen diese Angst und Verzweiflung hätte tun können.
»He, es ist doch alles in Ordnung«, sagte Cheryl und legte kurz ihre Hand auf seine Schulter.
Will warf ihr das Telefon an den Kopf. Als sie aufs Bett fiel, versuchte er, ihr die Waffe zu entreißen, doch sie hielt sie fest. Jetzt lagen sie beide auf der Bettdecke und kämpften verbissen um die Waffe. Obwohl Will stechende Schmerzen durch die Gelenke schossen, gab er nicht auf. Cheryl presste die Walther mit beiden Händen an ihre Brust. Will umklammerte die Waffe mit beiden Händen und zog wie ein Verrückter, um sie in seine Gewalt zu bringen.
Etwas zerriss, Cheryl schrie, und er konnte ihr die Waffe entreißen.
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