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24 Stunden

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Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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er. »Mir gefällt deine Stimme. Weißt du, dass du eine schöne Stimme hast?«
    Obwohl ihre Augen verbunden waren, drehte sich Karen erstaunt zu ihm um.
    Mitten in Jackson, in dem teuren Wohnviertel Eastover, erstrahlte eine herrschaftliche Villa mit weißen Säulen im Licht der Scheinwerfer, die zwischen den prächtigen alten Eichen versteckt waren. Auf der kreisförmigen Zufahrt vor dem Haus stand ein gelber 1932er Deusenberg, das Herzstück einer Oldtimer-Sammlung, von deren größtem Teil sich der Besitzer im Laufe des letzten Jahres getrennt hatte.
    Dr. James McDill, dem der Deusenberg und die Villa gehörten, saß seiner Frau Margaret am Esstisch gegenüber. Er schaute sie besorgt an. Sie hatte in den letzten zwölf Monaten 20 Pfund abgenommen, und sie hatte sowieso nur 125 Pfund gewogen. McDill war auch nicht in bester Verfassung. Nachdem er wochenlang mit sich gerungen hatte, stand sein Entschluss jetzt fest. Er musste dieses heikle Thema ansprechen. Auch wenn er schon im Voraus wusste, welche Reaktion er zu erwarten hatte, blieb ihm keine andere Wahl. Je näher der Kongress rückte, desto stärker wuchs seine Überzeugung, dass er Recht hatte. Durch die endlose Grübelei war alles wieder gegenwärtig, besonders die Dinge, über die sie bisher hinweggegangen waren.
    Er legte die Gabel auf den Tisch. »Margaret, ich weiß, dass du nicht darüber sprechen möchtest, aber ich muss es tun.«
    Der Löffel, den seine Frau in der Hand hielt, fiel klirrend auf ihren Teller aus Knochenporzellan. »Warum?«, fragte sie in schneidendem Ton. »Warum musst du das?«
    McDill seufzte. Er war ein erfahrener Herzgefäßchirurg, doch er hatte noch vor keiner Operation so eine große Unsicherheit verspürt wie vor diesem Gespräch mit seiner Frau. »Vielleicht weil es genau ein Jahr her ist. Vielleicht wegen der Dinge, die sie uns erzählt haben. Ich konnte heute Morgen im OP an nichts anderes denken. Wie diese Sache unser Leben verändert hat. Es ist zerstört.«
    »Meins nicht. Deins! Dein Leben!«
    »Um Gottes willen, Margaret! Heute Abend beginnt an der Küste der Kongress. Wir sind nicht da, und das aus einem ganz bestimmten Grund. Weil das, was vor einem Jahr passiert ist, noch immer unser Leben beherrscht.«
    Sie riss bestürzt den Mund auf. »Du wärst jetzt gerne dabei? Mein Gott!«
    »Nein. Aber es war nicht richtig, dass wir vor einem Jahr nicht zur Polizei gegangen sind. Und jetzt habe ich ein ganz schlechtes Gefühl. Diese Frau hat mir gesagt, dass sie das schon öfter gemacht haben, und ich glaube ihr. Sie hat gesagt, dass sie mit anderen Ärzten genau das Gleiche gemacht haben. Sie haben den Kongress, unsere Trennung ausgenutzt. Und was ist, wenn es wieder geschieht, Margaret? Jetzt in diesem Augenblick?«
    »Hör auf!«, bat sie mit erstickter Stimme. »Weißt du denn nicht mehr, was sie gesagt haben? Sie werden Peter töten! Du willst jetzt zur Polizei gehen? Ein Jahr nach diesem furchtbaren Ereignis? Weißt du denn nicht, was dann passiert? Bist du denn so naiv?«
    McDill legte beide Hände auf den Tisch. »Wir müssen uns dieser Sache stellen. Wir dürfen nicht zulassen, dass einer anderen Familie das zustößt, was uns zugestoßen ist.«
    »Uns? Was ist dir denn zugestoßen, James? Du hast eine Nacht mit einer Nutte in einem Hotelzimmer verbracht. Na und? Musst du denn immer nur an dich denken? Peter hat einen Schock erlitten!«
    »Natürlich denke ich an Peter! Aber ich will nicht, dass einem anderen Kind das Gleiche passiert, nur weil wir so feige sind.«
    Margaret schlang die Arme um ihren Körper und schaukelte auf dem Stuhl hin und her. McDill musste an die Verrückten denken, die er in der Medizinischen Fakultät gesehen hatte. »Wenn du uns nur nicht allein gelassen hättest«, flüsterte sie. »Ganz allein... Margaret und Peter... schutzlos und allein.«
    McDill versuchte, seine aufkeimenden Schuldgefühle zu bekämpfen. »Margaret... «
    »Ärztekongress! Dass ich nicht lache!«, zischte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Es ging doch um diese verdammte Autoausstellung.«
    »Margaret, bitte... «
    Er verstummte, als ihr elfjähriger Sohn plötzlich im Türrahmen stand. Peter war ein blasser, schmaler Junge mit unstetem Blick.
    »Was ist los?«, fragte er schüchtern. »Warum schreit ihr denn so?«
    »Nur ein kleines Missverständnis, mein Junge. Ich hatte heute eine schwierige Operation, und wir haben gerade über Steuerprobleme gesprochen. Ich habe einfach die Nerven verloren. Kein Grund, dir

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