24 Stunden
Er schraubte den Deckel ab, setzte sich die Flasche an den Hals, trank einen Schluck und stellte die Flasche zwischen seine Beine. »Ich werde dir ein kleines Geheimnis verraten. Ja.«
Sie sah weg.
»Zieh deine Hose wieder an.«
Karen verspürte keine Erleichterung, denn sie wusste genau, dass das nichts Gutes verhieß. Sie ging zum Bett und zog den Slip und die Jeans an.
»Sieh mich an«, befahl Hickey.
Sie sah ihn an.
Seine dunklen Augen funkelten. »Weißt du, was ein Lap-Dance ist?«
Karen schossen unheilvolle Bilder durch den Kopf. Dürftig gekleidete Frauen hockten über Bargästen auf ihren Stühlen und wackelten mit ihren Silikon-Brüsten vor den Gesichtern der Junggesellen und der alten Männer mit den wässerigen Augen herum.
»Nein«, erwiderte sie.
»Du lügst. Du weißt, was das ist. Allerdings weißt du nicht, dass meine Frau das eine Zeit lang machen musste, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist mir auf die Nerven gegangen. Dass sie das machen musste.«
Und warum haben Sie dann keinen anständigen Job angenommen?, dachte sie. Doch stattdessen sagte sie: »Es tut mir leid, dass sie das machen musste.«
Er schaute sie mürrisch an. »Diese ganzen Scheißtypen, die sie begrapscht haben und heiß auf sie waren. Wahrscheinlich war dein Mann auch dabei. Sie hat hier in Jackson getanzt.«
»Will geht nicht in derartige Lokale.«
Hickeys Augen glänzten. »Willst du mich verarschen? Glaubst du denn allen Ernstes, dein Göttergatte hätte sich noch nie einen Lap-Dance gegönnt?«
»Ja, das glaube ich.«
»Du lebst in einer Traumwelt. Ich wette eins zu zehn, dass er sich heute Nacht an der Küste einen gegönnt hätte, wenn diese Sache nicht dazwischen gekommen wäre. Mann, ein Wochenende weg von der Alten? Auch wenn sie so aussieht wie du... Ein Mann braucht ein bisschen Abwechslung.«
»Ist Ihre Frau jetzt bei Will?«
»Ganz genau.«
Mit jedem Detail, das Hickey ihr anvertraute, wuchs Karens Überzeugung, dass er nicht vorhatte, sie nach diesem Martyrium am Leben zu lassen.
»Was geht in deinem Kopf vor?«, fragte er. »Überlegst du, wie du aus diesem Käfig entkommen kannst?«
»Findet Ihre Frau es richtig, Kinder zu entführen?«
»Meine Frau findet alles richtig, was ich mache. Und falls das nicht der Fall ist, behält sie es für sich. Kapiert?«
»Ich glaube ja.«
Er trank noch einen Schluck Whiskey. »Wir brauchen Musik. Ist in der Vitrine auch eine Stereoanlage?«
Karen ging zum Fernsehschrank und schaltete den CD-Player ein. »Was möchten Sie hören?«
»Einen schönen Rhythmus. Für einen Lap-Dance braucht man gute Rhythmen. Nicht zu schnell und nicht zu langsam.«
Karen kam die ganze Situation immer absurder vor. Sie stand kurz vor einer Vergewaltigung und suchte die passende CD heraus. Will sammelte alles von klassischem Rock über Country bis New Age. Es war Musik dabei, die ihr das Gefühl gab, sexy zu sein, aber diese Musik wollte sie nicht vergiften, indem sie zu ihrer Vergewaltigung gespielt wurde. Natürlich passte nichts, und schließlich wählte sie Best of the Eightys aus. Das erste Stück war Every Breath You Take von Police. Bässe und Schlagzeug dröhnten rhythmisch aus den Lautsprechern, die Will in der Decke versenkt hatte. Als sie sich umdrehte, wippte Hickey im Takt der Musik mit dem Kopf.
»Das ist gut«, sagte er. »Ja. Komm her.«
Sie ging einen Schritt auf die Truhe zu.
»Tanz.«
Wenn die Situation nicht so dramatisch gewesen wäre, hätte sie fast gelacht. Sie musste an die alten Western denken, die ihr Vater sich so gerne angesehen hatte und in denen der Revolverheld mit dem schwarzen Hut genau das zu der verängstigten Siedlerin sagte.
»Tanzen, hab ich gesagt«, forderte Hickey sie noch einmal auf.
Karen fing an, sich im Takt der Musik zu wiegen, doch sie kam sich ungeschickt vor. Sie war nie eine gute Tänzerin gewesen, obwohl Will das Gegenteil behauptete. Karen wusste, dass ihr die natürliche Anmut anderer Mädchen, mit denen sie aufgewachsen war, fehlte. Langbeinige Wesen, deren körpereigene Chemie die Klangwellen aufnahm und die diese Energie in reine sinnliche Bewegung verwandelten.
»Komm näher«, sagte Hickey.
Karen tanzte näher an den Sessel heran, doch als Hickey seine Hand ausstreckte, sprang sie zurück.
»Das ist doch nur Geld.«
Tatsächlich. In der Hand hielt er einen zusammengefalteten Ein-Dollarschein.
»Komm her.«
Sie näherte sich ihm tanzend, und er steckte den Schein in die Hosentasche ihrer
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