24 Stunden
Parallelen. Will war wie alle Männer ein menschliches Wesen, und er wollte immer Sex. Auf jeden Fall viel häufiger als sie. Und es ging ihm nicht nur um die Liebe an sich. Er wollte durch die körperliche Liebe seinen Sexualtrieb befriedigen und seinen Frust abbauen, und das spürte sie.
Kurz vor und nach ihrer Eheschließung hatte auch sie den mächtigen Drang nach Sex verspürt. Das hatte sich aber allmählich gelegt. Es war nicht etwa so, dass sie Will weniger liebte. Nachdem sie gezwungen gewesen war, ihr Medizinstudium aufzugeben, hatte sich ihr Verlangen verflüchtigt. Sie konnte Will den wahren Grund nicht nennen. Wenn sie sich seinem sexuellen Verlangen hingab, wurde ihr jedoch immer wieder bewusst, welch schreckliches Opfer sie erbracht hatte. Und letztendlich war sie durch den Sex zu diesem Opfer gezwungen worden. Nur weil Will jeden Morgen und jeden Abend eine Erektion hatte, bestand noch lange kein Grund dazu, dass sie wie eine unterwürfige Gattin des 19. Jahrhunderts immer nach seiner Pfeife tanzte.
»Hoch!«, befahl Hickey. »Das Vorspiel war lang genug.«
Karen sprang hoch und wich bis zum Fernseher zurück.
Hickey stand auf und ging mit der Whiskeyflasche zum Nachttisch. Anschließend ging er auf Karen zu, zog dabei sein Polo-Shirt aus und entblößte seinen blassen, drahtigen Oberkörper. Nur sein Nacken und seine Unterarme waren gebräunt. Bauernbräune, hatte ihr Vater es genannt. Als er an seinen Gürtel griff, schaute Karen auf den Boden.
»Schau hin«, sagte er stolz.
Karen atmete tief ein und hob den Blick, als Hickeys khakifarbene Hose auf dem Boden landete. Tief aus ihrem Innern stieg eine brennende Taubheit auf. Sie wusste, dass die Vergewaltigung entsetzlich sein würde, doch die Angst davor, die sie die ganze Zeit ausgestanden hatte, war noch schlimmer. Das Wissen um das letztendlich unvermeidliche Leiden, während man noch immer unversehrt war. Die intimste Stelle ihres Körpers, die sie ihr ganzes Leben beschützt hatte, sollte gleich geschändet werden. Es war keine Hilfe zu erwarten. Es gab nur Hickey. Und Abby. Abby hing wie ein Damoklesschwert über ihrem Kopf und zwang sie, jeden seiner Befehle zu befolgen.
Die Taubheit erfasste ihren ganzen Körper, und sie war versucht, sich diesem Gefühl hinzugeben wie eine Erfrierende, die sich der Kälte hingab. Möge die Taubheit in meine Knochen fahren, dachte sie. In mein Herz und meine Seele, damit ich nichts von dem, was geschieht, spüre, damit das Verbrechen an einer anderen Person, einem gefühllosen Körper verübt wird. An einer Leiche. Doch würde sie diese Taubheit je wieder aus ihrem Körper vertreiben können, wenn sie erst einmal von ihrem ganzen Körper Besitz ergriffen hatte?
Als Hickey sie mit seinem dummen, jungenhaften Grinsen musterte, rührte sich tief in ihrer Seele etwas. Es war eigentlich kein richtiger Gedanke, sondern nur der Hauch einer Idee. Ein winziger Funke, der in den geheimnisvollen Tiefen ihres weiblichen Bewusstseins schwelte. Das Wissen um die männliche Verletzbarkeit.
Ihre Stunde würde kommen.
8
Huey saß gegenüber von Abby auf dem Linoleumboden in der Hütte und konzentrierte sich auf seine Schnitzerei. Er hatte eine alte Satteldecke aus dem Schlafzimmer geholt und Abby darauf gesetzt, damit sie nicht auf dem nackten Boden sitzen musste. Sie umklammerte die Barbiepuppe wie einen Talisman.
»Geht es dir jetzt besser?«, fragte Huey.
Abby nickte. »Ein bisschen.«
»Hast du Hunger? Ich habe Hunger.«
»Etwas. Mein Bauch tut weh.«
Huey sah sie besorgt an. »Was möchtest du? Ich habe Mortadella. Magst du >Captain Crunch Ich mag >Captain Crunchc.«
»Ich darf kein>Captain Crunchcessen.«
»Du darfst das nicht essen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Abby verzog den Mund, als sie darüber nachdachte. »Also, wenn man isst, entsteht durch das Essen Zucker im Blut. Und in unserem Körper ist ein Zeug, damit der Zucker weggeht. Doch das habe ich nicht. Und darum wird der Zucker immer mehr, bis mir schlecht wird. Und wenn mir schlecht wird, schlafe ich ein. Und wenn ich einschlafe, wache ich vielleicht nie mehr auf.«
Huey fuhr die Angst in die Glieder. Er rieb sich mit den Händen ängstlich über seine Pausbacken. »Das ist mit meiner Schwester passiert. Jo Ellen. Ich würde dir gerne etwas von meinem Blut abgeben, damit dein Zucker weggeht.«
»Das ist in meinen Spritzen. Zeug, damit der Zucker weggeht.
Ich mag keine Spritzen, aber ich will auch nicht krank werden. Spritzen tun
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