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24 Stunden

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Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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angstgeweiteten Augen.
    Sie musste die Wunde versorgen, doch der Gedanke, ihn noch einmal berühren zu müssen oder auch nur in seine Nähe zu kommen, war ihr unerträglich.
    »Holen Sie ein Handtuch!«, schrie sie. »Beeilen Sie sich! Sie müssen das Handtuch fest um die Wunde wickeln.«
    Hickey presste das Kissen auf die Wunde und humpelte ins Bad. Er stöhnte und jammerte und fluchte. Karen zog an dem Bettlaken und wischte sich das Blut von den Schenkeln. Dann streifte sie die Bluse über, ging zur Badezimmertür und richtete die Waffe auf Hickey. Dieser wickelte gerade ein Handtuch fest um seinen Oberschenkel, sodass sich die Blutung abschwächte.
    »Warum geht Huey nicht ans Telefon?«, fragte sie. »Warum sind sie nicht in der Hütte? Hat er Abby woanders hingebracht?«
    Hickey, dessen Wangen vor Anstrengung gerötet waren, schaute hoch. »Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen, gute Frau. Gar keine. Du hast gerade unendlich viel Leid über dich gebracht. Unendlich viel Leid.«
    »Was haben Sie denn erwartet? Sie klauen mein Kind, versuchen, mich zu vergewaltigen, und ich soll still halten und alles über mich ergehen lassen?«
    Er wedelte mit einem blutigen Waschlappen durch die Luft. »Sieh dir mein verdammtes Bein an. Ich verblute!«
    »Sie müssen ins Krankenhaus!«
    »Einen Scheißdreck muss ich! Das muss genäht werden, das ist alles. Du warst doch Krankenschwester, hast du gesagt. Du machst das.«
    »Man müsste fünfzig Stiche machen, um die Wunde zu schließen.« Das war übertrieben. Ein Pfuscher könnte die Wunde mit zehn Stichen schließen.
    »Hol die Sachen! Dein Mann hat doch sicher einen Arztkoffer hier, oder? Damit er die Gören von den Nachbarn behandeln kann, nicht?«
    Will hatte einen Arztkoffer im Haus für den Fall, dass sich Abby beim Fußballspielen verletzte, aber Karen wollte ihn nicht holen. Sie wollte die Waffe nicht festhalten, und sie wollte nicht mehr auf Hickeys Blöße schauen. Sie wollte nur Abby in ihre schützenden Arme schließen.
    »Warum tun Sie das?«, schrie sie. »Warum meine kleine Tochter? Das ist nicht fair! Das ist nicht recht...«
    Hickey schlug nach ihr. Er kniff die Lippen zusammen, um den Schmerz zu ertragen, und dann stieß er aus zusammengebissenen Zähnen hervor: »Lady, wenn du nicht langsam in die Gänge kommst und mich zusammenflickst, wird Huey deinem kleinen Mädchen ganz nebenbei das Genick brechen. Er muss nur einmal ein bisschen fest zupacken, und schon ist sie hin. Ein Anruf reicht aus. Ein verdammter Anruf.«
    »Sie kriegen ihn ja gar nicht ans Telefon!«
    »Ich werde ihn schon erreichen.«
    Karen zitterte noch immer. Blut sickerte von dem BH auf die Bluse, und die Hand, in der sie Wills Waffe hielt, bebte. Sie müsste sich zusammenreißen, oder Abby würde die Sache nicht überstehen.
    »Beweg deinen Arsch!«, brüllte Hickey. »Hol die Tasche!«
    Sie nickte und rannte aus dem Bad.
    Abby glaubte, Huey wieder draußen gehört zu haben, und darum kroch sie in die kleine Scheune hinter der Hütte. Dort stand ein Traktor, der fast so aussah wie die Maschine, mit der ihr Dad das Gras zu Hause mähte, nur dass sie größer war. Sie kletterte auf den Sitz und tippte Zahlen ins Handy. Zuerst kam die Eins und dann die Vorwahl von Mississippi. »Sechsnulleins«, sagte sie beim Wählen. Dann tippte sie die anderen sieben Zahlen ein, drückte auf SENDEN und betete, dass nicht wieder eine Computerstimme den Anruf entgegennahm. Das Freizeichen ertönte.
    Karen durchwühlte Wills Arzttasche, als das Telefon auf Wills Bettseite klingelte. Hickey war noch immer im Bad und lockerte auf ihren Rat hin den Handtuchverband. Obwohl der Anrufer mit Sicherheit Hickeys Frau war, stürzte Karen an den Apparat und betete, dass sich ihre Verzweiflungstat irgendwie bezahlt gemacht hatte.
    »Hallo?«
    »Sag ihr, dass ich gleich komme«, rief Hickey aus dem Badezimmer, dessen Tür einen Spalt weit geöffnet war.
    »Mama?«
    Karens Hände fingen an zu zittern, als wäre sie krank. »Abby?«
    »Mama!«
    »O mein Gott!« Karen musste schlucken, ehe sie ein Wort herausbringen konnte. »Ist alles in Ordnung, mein Schatz? Wo bist du?«
    Abby schluchzte ein paar Mal, ehe sie antwortete. Als Karen das Schluchzen und Schlucken ihrer Kleinen vernahm, riss sie sich zusammen und sprach weiter.
    »Lass dir Zeit, Kleines. Sag mir, wo du bist.«
    »Ich weiß nicht! Ich bin im Wald. Mama, komm her! Ich hab Angst.«
    Karen schaute zur Badezimmertür. »Ich komme, Liebling, aber...« Sie

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