24 weihnachtliche Geschichten - ein Adventskalenderbuch
„Das wird schon wieder.“
Aber das wurde es nicht. Drei Mal kam Lena zu spät von der Schule nach Hause, weil sie ihren Klaus bei Tannen-Willi besucht hatte. Ich meine, wie dusselig ist das denn? Man besucht Freunde oder Verwandte, aber doch keinen Weihnachtsbaum!
Ich hörte, wie Papa mit Mama redete. Alles verstand ich nicht, aber irgendwie ging es um das hässliche Entlein. Ganz am Schluss sagte Papa: „Ein Baum ist kein Entlein und glaub mir, aus dem Klaus wird nie ein Schwan.“
Danach war Klaus für Mama und Papa kein Thema mehr. Sogar Lena hörte auf, von ihm zu sprechen. Besuchen ging sie ihn auch nicht mehr. Eigentlich hätte damit alles gut sein können.
Eigentlich. Blöderweise hatte ich ein Problem. Mir saß plötzlich der blöde Klaus im Kopf. Weil Weihnachten doch das Fest der Liebe ist und so. Da sollte es allen gut gehen, auch Lena. Die sagte zwar nichts mehr, aber ich wusste, dass sie an Heiligabend bestimmt an Klaus denken würde.
Am 24. Dezember war ich weder fröhlich noch selig, sondern einfach nur mies drauf. Papa befahl mir, mit ihm in die Garage zu kommen, wo wir Willfried zwischengelagert hatten.
„Echt“, sagte ich. „Mir ist es egal, wie der Baum aussieht. Hauptsache, es liegen Geschenke darunter und Lena ist glücklich.“
Papa guckte erst Willfried an, danach mich. Und dann sagte er nur ein Wort: „Klaus.“
Mehr war nicht nötig. Ohne zu zögern packten wir Willfried, banden ihn aufs Autodach und fuhren los.
Bei Tannen-Willi sah es furchtbar leer aus. Die Bäume waren weg. Nur einer stand immer noch da. Hässlicher denn je. Klaus.
Ein Verkäufer mit stattlichem Bart und einer knallroten Mütze schlurfte auf uns zu. Ich erkannte Herrn Willfried sofort. Er uns auch. „Da schau an, wen wir hier haben!“ Er kratzte sich am Bart. „Und, was führt die Herren zu mir?“
„Klaus.“ Ich deutete auf das armselige Restexemplar.
„Ist verkauft“, sagte Herr Willfried.
„Aber … aber … da steht er doch“, stammelte ich.
„Ist trotzdem verkauft“, wiederholte Herr Willfried.
„An wen?“, fragte ich.
„An mich.“ Herr Willfried klang nicht gerade glücklich. „Hatte ja keine Wahl. War der letzte.“
„Herr Willfried“, sagte Papa feierlich. „Wie wär’s mit einem Tausch? Wir geben Ihnen unser Prachtexemplar und nehmen dafür den Kl… äh, den da.“
Herr Willfried guckte uns an, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank. Papa holte unseren Baum vom Autodach. Er sah nicht mehr so wunderprächtig aus wie am Anfang, aber immer noch viel besser als Klaus.
„Ich gebe Ihnen aber kein Geld zurück“, brummte Herr Willfried.
„Nicht nötig“, erklärte Papa. „Wir wollen nur den Klaus.“
„Abgemacht“, sagte Herr Willfried.
„Abgemacht“, antwortete Papa.
Er wollte Herrn Willfried die Hand schütteln, doch der hielt seinen neuen Baum fest, als fürchte er, wir könnten es uns anders überlegen.
Taten wir aber nicht. Klaus wurde zwar nicht der schönste Weihnachtsbaum, den wir je hatten, aber garantiert der coolste. Etwas schief und etwas struppig. Die abgeknickte Spitze sah man nicht, denn zuoberst glänzte ein Stern. Es gab nur zwei Dinge, die noch mehr leuchteten als Klaus in seinem Festgewand: Lenas Augen. Und weil der kleine Klaus auf einem Tischchen thronte, damit er auch richtig zur Geltung kam, hatten sogar die Geschenke darunter Platz. Alle.
8. Dezember
Hartmut El Kurdi
Karim und die arabische Weihnacht
„So einen hätte ich auch gerne“,
sagte Karim, als er vor Lillys Weihnachtsbaum stand. Der war zwar aus Plastik, aber dafür komplett mit knallbuntem und atemberaubend kitschigem Christbaumschmuck behängt. So wie Lilly es mochte. Wie jedes Jahr hatte sie ihn mit ihrem Vater schon eine ganze Weile vor Weihnachten geschmückt. Damit sie ihn länger anschauen konnte.
„Wieso? Was habt ihr denn für ’n Baum?“, fragte Lilly.
„Gar keinen“, sagte Karim. „Wir sind doch Muslime … und Weihnachten ist ja ein christliches Fest.“
Lilly schüttelte verwirrt den Kopf. „Aber wir gehen doch auch nicht in die Kirche und feiern trotzdem …“
„Das hab ich meinem Vater auch gesagt, aber er meint, das wäre eben so. Basta. Obwohl meine Oma erzählt hat, früher in Palästina hätten sie immer mit den Christen im Dorf Weihnachten gefeiert. Und dafür wären die Christen zum Ramadanfest eingeladen worden. Die haben das nicht so eng gesehen …“
Lilly grinste. „Und hört dein Vater nicht auf seine
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