24 weihnachtliche Geschichten - ein Adventskalenderbuch
Erwachsene. Ihr sagt den Kindern was von der Rettung der Regenwälder, dass man kein Tropenholz verwenden soll, den Müll trennnen und Energie sparen. Aber Kinder können nicht die Welt und das Klima retten, das müsst ihr tun. Wie sollen wir denn das machen? Ihr seid doch erwachsen, ihr kennt euch aus mit Lügen und Raffen und Vorurteilen und Bombenbauen, Umweltverschmutzung und Atomkraft. Also tut etwas, haltet euch ran, ein Jahr habt ihr Zeit, bis zum nächsten 6. Dezember. Eure Kinder.“
Danach müssen die Erwachsenen noch mal ein bisschen springen, sie sind schon ganz schlapp. Das Nikolaustagsprogramm der Kinder ist vorbei. Sie nehmen die Masken ab, und die Eltern freuen sich, dass ihre Kinder wie normale liebe Kinder Hunger haben. „Kann auch ein Thüringer Kloß sein“, sagen sie. „Oder Nüsse und Mandarinen.“ Die Erwachsenen bringen alles Essen von zu Hause in die Schmiede und feiern gemeinsam den Nikolaustag. Da wummert es an die Tür. Herein kommt ein großer Mann in rotem Gewand mit einem vollen Sack und einer Rute. „Ihr habt mich gerufen?“
Da sagt keiner mehr was, nicht mal „nö“ oder „na und“.
7. Dezember
Alice Gabathuler
Weihnachtsbaum Klaus
„Ich will den da!“
Meine Schwester zeigte mit dem Finger auf den armseligsten Weihnachtsbaum bei Tannen-Willi .
„Der ist zu klein“, sagte Papa.
„Und zu schief“, ergänzte ich fachmännisch.
„Ich will aber genau den da!“ Wie ein Wegweiser deutete Lenas Finger immer noch auf den gleichen Baum.
„Der ist zu struppig“, meinte Papa.
„Und seine Spitze ist angeknackst“, erklärte ich.
Lena verschränkte die Arme. „Ich mag ihn.“
„Frauen“, murmelte Papa.
„Frauen!“, seufzte ich.
„Klaus!“, krähte Lena.
„Klaus?“, fragten Papa und ich gleichzeitig.
Lena nickte. „So heißt er.“
„Wer?“, fragten Papa und ich.
Lena strahlte. „Na, mein Weihnachtsbaum.“
„Schau mal.“ Papa nahm Lena bei der Hand und führte sie zu einem wahren Prachtexemplar. „Der ist groß, kerzengerade, wunderbar gleichmäßig und seine Spitze ist einfach perfekt.“
„Ich will aber den Klaus!“
Langsam nervte mich diese Klaus- Kiste.
„Papas Baum heißt auch Klaus“, zischte ich.
„Nein!“ Lena sah mich an wie jemanden, der keine Ahnung hat. „Der heißt Willfried.“
Ich habe viel mehr Ahnung als Lena. Ich bin nämlich zwei Jahre älter als sie. Und ich weiß, dass Weihnachtsbäume keine Namen haben. Sie heißen nicht. Weder Klaus noch Willfried. Es sind einfach nur Bäume. Es gibt schöne und weniger schöne. Und dann gibt es noch die hässlichen. Wie den, den sich Lena ausgesucht hatte. Den Klaus. Den hässlichsten von allen.
Papa kauerte sich hin. Auge in Auge mit Lena erklärte er ihr noch einmal, warum Klaus nicht der richtige Weihnachtsbaumfür uns war. Ganz am Schluss brachte er das Killerargument gegen Klaus vor: „Wie soll denn das Christkind die Geschenke unter diesen Baum legen?“, fragte er. „Da ist doch viel zu wenig Platz.“
Ich nickte heftig. Unter Klaus hätte nicht mal die Hälfte meiner Geschenke Platz. Damit blieben immer noch meine andere Hälfte, die Geschenke für Lena und die für Mama und Papa.
Ein Verkäufer mit einem struppigen Bart und einer knallroten Mütze auf dem Kopf kam auf uns zu. „Na, haben die Herrschaften einen Baum gefunden?“, rief er.
„Ja“, antwortete Papa. „Wir nehmen den Willfried.“
Die buschigen Brauen des Verkäufers schoben sich bis zum Rand seiner Mütze hoch. „Wollen Sie mich veräppeln?“, fragte er.
„Aber nein“, antwortete Papa. „Wieso denn?“
„Weil ich Willfried heiße!“, dröhnte es aus dem Mund des Verkäufers. „Und wie Sie sehen können, bin ich ganz und gar kein Weihnachtsbaum!“
„Äh, ich meinte natürlich den hier, bitte“, sagte Papa schnell und zeigte auf das Prachtexemplar.
Brummend schnappte sich Herr Willfried den Baum, schob ihn durch die Einpackmaschine und lehnte ihn neben mich an den Zaun. Papa bezahlte. Lena stand still daneben.
Zu Hause wartete Mama mit frisch gebackenen Weihnachtskeksen auf uns. „Na, habt ihr einen schönen Baum gefunden?“, fragte sie.
„Ja“, antwortete ich und griff nach einem Zimtstern.
„Ein Prachtexemplar“, sagte Papa.
„So groß, dass wir ihn aufs Autodach binden mussten!“, erzählte ich ihr begeistert.
Mama schaute Lena an. „Und, gefällt er dir auch?“
„Mmm“, murmelte Lena.
„Oje“, sagte Mama.
Papa fuhr Lena mit der Hand über die Haare.
Weitere Kostenlose Bücher