240 - Zeitsplitter
würde es mit ›Kaya‹ übersetzen!«, meinte Matt. »Scheint ein Eigenname zu sein.«
Sie traten näher, und sofort wurde klar: In dieser Wanne befand sich nicht nur Flüssigkeit. Hinter dem Farbenspiel des Lichtes waren die Umrisse einer Kreatur zu erkennen.
»Ein Hund!«, stellte Matthew fest. »Lityi hat einen Hund hierher getragen und in den Behälter gelegt.«
»Vielleicht ist das die Küche«, witzelte Crow, ohne eine Miene zu verziehen. Der Hund enttäuschte seine Erwartungen auf einen Waffenfund auf ganzer Linie. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Wie viele Behälter sind das wohl?«
Matt sah auf. »Zwei Dutzend… vielleicht auch mehr.« Er betrachtete wieder das Tier, das Lityi in der Flüssigkeit versenkt hatte. Ein ausgewachsener Wolfshund, wenn er sich nicht täuschte. Offenbar hatte Lityi eine besondere Beziehung zu dem Tier gehabt. War das hier ein Ort zur Entsorgung?
Um seinen Verdacht zu überprüfen, trat Matt an den nächsten Behälter. Auch der war belegt.
»Es ist jedenfalls keine Säure… definitiv nicht«, murmelte Matt.
Der General trat neben ihn.
»Erschrecken Sie sich nicht, Crow«, warnte Matt.
»Erschrecken?« Crow blickte ins Wanneninnere – und zuckte merklich zusammen. »Was in Dreiteufelsnamen ist das?«
»Ein Mensch.«
»Das sehe ich auch! Ich meinte diese… Kleidung… der Kopfschmuck… Ist das ein Helm?«
»Vermutlich«, erwiderte Matt so ruhig, wie er konnte. »Der Tote sieht aus wie ein Wikinger…«
***
Der bärtige Krieger war so gut erhalten wie Lityis Hund. Mit anderen Worten: Er sah aus, als wäre er eben erst in die Flüssigkeit gelegt worden. Aber genau das bezweifelte Matt. »Kommen Sie«, forderte er Arthur Crow auf. »Lassen Sie uns auch den Rest ansehen.«
Der General folgte ihm. Er war auffallend wortkarg geworden.
Sie beide hätten eigentlich längst Lityi folgen müssen, um sie noch einholen zu können. Aber das Rätsel dieses Raumes schlug sie in seinen Bann.
Auch das nächste Behältnis war »besetzt«. Mit einem Kind, dessen Augen erschreckender Weise weit offen standen und Matt aus dem Behälter heraus anzuflehen schienen.
Für einen Moment war er versucht zu glauben, dass der Junge mit dem kurzen lackschwarzen Haar, den großen dunklen Augen und dem dunklen Teint gar nicht tot war, nur…
Nur was? Er liegt da seit wer weiß wie lange, ohne zu atmen, ermahnte sich Matt. Natürlich ist er tot. Und sieh dir die Stellung seines Kopfes zum Rest des Körpers an.
Der Schädel war in absolut unnatürlichem Winkel »gekippt«.
»Genickbruch«, diagnostizierte Crow neben Matt. Seine Stimme schwankte. Selbst ihn schien der Anblick nicht kalt zu lassen. »Wahrscheinlich hat der Koordinator ihn gekillt.«
Statt zu antworten, beugte Matt sich vor.
»Was tun Sie da?«, blaffte Crow.
Matts Arme tauchten bis über die Ellbogen in die Flüssigkeit ein. Die gespreizten Finger tasteten nach dem Jungen, der eine schlichte Kleidung aus grob gewebtem Stoff trug. Vorsichtig drehte Matt den Körper so weit, dass er fand, wonach er suchte. »Das Ungeheuer hat ihn sich auch geschnappt. Da, sehen Sie es?«
»Eine Stichwunde im Nacken«, bestätigte der General.
Matt brachte den toten Jungen vorsichtig wieder in seine ursprüngliche Position und richtete sich auf. Die Flüssigkeit rann ihm von den Ärmeln und der Haut und bildete eine Lache zu seinen Füßen.
Er hob die rechte Hand zur Nase. »Riecht nach gar nichts.«
»Trotzdem widerlich.« Crow verzog das Gesicht. »Kommen Sie mir bloß nicht zu nahe mit dem Schleim!«
»Scheint jedenfalls das Gegenteil von Säure zu sein«, fuhr matt fort. »Irgendwas zum perfekten Konservieren.«
Gemeinsam klapperten sie die übrigen Behälter ab. Manche waren bis auf die vorbereitete Flüssigkeit leer. Aber in den meisten lagen Tote. Wobei der Hund das einzige Tier blieb, dem sie begegneten. Ansonsten durften sie staunen über Männer und Frauen, deren Kleidung, die von der Flüssigkeit ebenso erhalten wurde wie die Körper selbst, unterschiedlichste Stile und Epochen widerspiegelte.
Für Matt Drax und Arthur Crow war es wie der Gang durch ein Wachsfigurenkabinett – nur ohne Wachs. Und mit dem eklatanten Unterschied, dass sie es hier mit echten Menschen zu tun hatten. Ihr einziger Makel war es, tot zu sein und ausnahmslos das Nackenstigma zu tragen, das sie als ehemalige Marionetten des Koordinators auswies.
»Was für ein grausiges und zugleich faszinierendes Panoptikum«, brachte Matt es auf den
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