2408 - Krieg der Prozessoren
sagst, wie ein Unkenruf klingt – mir gingen dieselben Gedanken durch den Sinn."
„Vielleicht", ergänzte Dr. Indica, „hat ESCHER ohnehin nicht vor, auf Dauer in der RICHARD BURTON zu bleiben, sondern verfolgt ein völlig anderes Ziel."
Der Renegat Rutmer Vitkineff beschloss, dass es an der Zeit war, eine neue Testreihe zu starten.
Inzwischen genoss er seine Existenz als Avatar-Körper in vollen Zügen. Es war wesentlich befriedigender, als einer unter zahlreichen Prozessoren in der Hyperdim-Matrix zu sein.
Nach seinem ersten Test mit den beiden Sucramern in der Trainingshalle hatte er ähnlich harmlose Versuche gestartet und war stets erfolgreich geblieben. Um über das neue Maß seiner Psi-Gabe nachzudenken, die durch ESCHERS Macht im Hintergrund verstärkt wurde, hatte er schließlich eine Phase der Inaktivität folgen lassen.
Nun beobachtete er seit Tagen das Geschehen im Expeditionsraumer.
Alles ging seinen gewohnten Gang, wenn man von einer gewissen Aufregung absah, die viele Besatzungsmitglieder überkam, wenn über ESCHER gesprochen wurde. Sie hatten Angst vor der Parapositronik und davor, dass sie die Macht im Schiff übernehmen könnte.
Darüber konnte Vitkineff nur lachen.
Diese Narren bauten ESCHER als fiktive Bedrohung auf, und davon, dass wirklich jemand eine Machtübernahme plante, ahnten sie nichts.
Niemand an Bord wusste, dass es ihn gab, ihn, der sich aus der Kontrolle der Parapositronik gelöst hatte.
Das war einer seiner größten Vorteile – niemand ahnte etwas von seiner Existenz. Nicht einmal ESCHER und die anderen Prozessoren.
Er hatte sich aus der Hyperdim-Matrix zurückgezogen, langsam und schleichend, und niemand hatte es bemerkt. Ständig veränderten sich in der Matrix Verknüpfungen, ständig wuchsen Prozessoren enger zusammen oder entfernten sich voneinander, koppelten sich neu oder verzweigten sich, brachten neues Wissen ein oder kombinierten ihre Fähigkeiten zu einem völlig neuen Ergebnis.
Veränderung war in ESCHER allgegenwärtig, wie sollte da das Verschwinden eines einzelnen Prozessors bemerkt werden, der ohnehin stets heimlich seinen eigenen Weg gegangen war?
Nun wollte Rutmer Vitkineff die nächste Phase auf dem Weg zur Kontrolle über ESCHER und die RICHARD BURTON einläuten. Ein weiterer Test stand an. Diesmal würde er etliche Personen gleichzeitig beeinflussen, die komplette Besatzung einer Korvette der DAIMOS-Klasse.
Das Beiboot lag seit dem Aufbruch der BURTON vor mittlerweile 28 Tagen unbenutzt im Hangar. Die Mannschaft langweilte sich, spielte Karten oder vertrieb sich die Zeit damit, ausgefallene Gerichte in der Bordkombüse zu kochen.
Vitkineff holte zum großen Schlag aus und suggerierte allen gleichzeitig, sie würden unter quälenden Grippesymptomen leiden.
Obwohl sie völlig gesund waren, begannen sie zu husten und hielten sich dabei den Brustkorb, weil sie glaubten, die Lungen würden schmerzen. Andere schnäuzten sich, und Dritten schwollen sogar die Tränensäcke, ohne dass es einen körperlichen Grund dafür gab. Wieder andere bekamen Fieber, rein aufgrund ihrer Einbildung.
Alle hielten sich für krank. Konzentrierte Arbeit konnte niemand mehr leisten.
Die zuständige Medikerin sah sich plötzlich mit einem ganzen Schwung von Patienten konfrontiert.
„Ich werde euch alle untersuchen, bitte aber um etwas Geduld", sagte die Sucramerin. „Mir steht momentan leider nur ein Medorobot zur Verfügung, der sich ebenfalls um euch kümmern wird."
Vitkineff, der alles auf Psi-Basis beobachtete, während sein Avatar-Körper nach wie vor in der Quarantäne-Station ruhte, hielt es für einen bemerkenswerten Zufall, dass die Ärztin gerade dem Volk angehörte, dem seine ersten Test-Opfer entstammten.
Die kleine Frau mit dem kahlen Schädel nahm einen Patienten direkt mit in ihren Behandlungsraum der Medostation. „Berichte mir von deinen Problemen."
„Grippe", antwortete der Mann kurz angebunden. Vitkineff suggerierte ihm, dass er kaum sprechen konnte, weil sein Hals dick geschwollen und entzündet war. Der Terraner kniff vor Schmerz die Augen zusammen.
Die Sucramerin holte einen Blut-Analysator.
„Ich werde dir eine kleine Blutprobe entnehmen", kündigte sie an und starrte zwanzig Sekunden später verwirrt auf das Ergebnis.
Sie wiederholte den Bluttest bei drei weiteren Patienten und zog sich dann mit ihrem Medorobot zu einem kleinen Austausch zurück.
Der konnte nur zu demselben Ergebnis kommen wie sie. Es gab keinen Auslöser, der
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