2414 - Die Bestie Ganymed
uns; dabei wusstest du, wie dein Schicksal aussehen würde. Was bringt ein Versuchsobjekt dazu, sich gegen seinen Meister aufzulehnen?"
„Ich habe es dir mehrmals gesagt, aber du wolltest nicht zuhören, Konzig Asmo. Ich bin mehr als ein ... Objekt.
Ich lebe. Ich empfinde. Ich habe Wünsche und Sehnsüchte."
„Lächerlich! Du bist ein Nichts ..."
Ein Blutschwall sprudelte aus dem Mund des Anatomen. „Du trägst keinerlei Berechtigung in dir, über dein vorbestimmtes Schicksal hinaus irgendwelche Forderungen an mich, an die Terminale Kolonne zu stellen. Das ist unrecht! Warum stirbst du nicht einfach, wie es vorgesehen ist?"
Nein; Konzig Asmo verstand in der Tat nicht, um was es ihm ging. Er dachte und redete am Problem vorbei.
Er würde niemals Ganymeds Bedürfnisse sehen oder erkennen.
„Töte mich!", forderte der Kolonnen-Anatom. „Es ... schmerzt zu sehr, und es dauert zu lange. So war es nicht geplant ..."
Ganymed drehte sich weg. Für eine kurze Weile sah er zu, wie weitere Wellen des Schabenheeres durch das Loch strömten. Die Tiere näherten sich. Er musste diesen Bereich so rasch wie möglich verlassen.
„Du wirst so entsorgt, wie du es mir zugedacht hast", sagte er. „Ich werde mir an dir nicht meine Klauen schmutzig machen."
Er marschierte davon, auf das Ausgangsschott zu, und verfehlte es um eine halbe Körperlänge. Seine Koordination hatte gelitten. Die Schaben hatten das obere Auge aufgefressen, während er die Leitzentrale stürmte.
Er öffnete das Schott, drehte er sich ein letztes Mal um und rief: „Mein Name ist übrigens Ganymed."
Die Schaben schwappten über Konzig Asmo hinweg und erstickten dessen hilflose Schreie.
*
Ein Signalgeber, den er im Chaos der Überwachungszentrale an sich genommen hatte, half ihm, Türen und Tore zu öffnen. Sein Orientierungssinn war ausgezeichnet. Binnen Kurzem fand er in jene Bereiche des Genetischen Magazins zurück, die er von seinen Transportwegen her kannte. In einem Großraumlabor traf er erstmals auf organisierten Widerstand. In einer Art kontrolliertem Amok räumte er zwischen den im Kampf unerfahrenen Kolonnen-Anatomen auf, gab sich einem Blutrausch hin, der ihn für vieles entschädigte, was er zeit seines Lebens hatte erdulden müssen.
Tanks splitterten und bis aufs Fürchterlichste gezeichnete Geschöpfe rutschten aus ihren Positionen. Sie starben am Schock der plötzlichen Befreiung aus der sie nährenden, am Leben erhaltenden Flüssigkeit.
Ganymed kümmerte sich nicht weiter um sie. Er wollte vorwärts, raus aus dem Genetischen Magazin, jenen Wegen folgend, die er an einem Informationsknotenpunkt verinnerlicht hatte.
Wenn er seine ehemalige „Schlafstätte" durchquerte, würde er auf Kabinentrakte stoßen und dahinter auf Hangars, in denen kleinere Schiffseinheiten geparkt standen.
Er gelangte in jenen Raum, in dem er stets geruht und auf weitere Folterungen gewartet hatte. Er stieß den Konservierungstank um und sah zu, wie sich die Flüssigkeit über den Hallenboden ergoss. Intensiver Schmerz erfasste ihn in einer abrupten Wehe, ließ ihn alles nur noch durch einen Schleier der Wut erkennen. Neuerlich ließ er sich gehen. Er tobte hin und her, schlug alles zu Brei, was ihm zwischen die Hände kam und ihn an sein bisheriges Leben erinnerte ...
Als Ganymed wieder zu Verstand kam, saß er in einem Trümmerfeld. Er kratzte gestocktes Blut aus seiner leeren Augenhöhle. Er würde sich an die eingeschränkte Sicht gewöhnen müssen.
Im Kampf gegen die Anatomen hatte er lediglich einen Bruchteil seiner Fähigkeiten abrufen müssen. Wollte er sich jedoch bis zu einem Fluchtschiff durchschlagen, musste er im Vollbesitz seiner Kräfte sein und hoch konzentriert ans Werk gehen.
Nur noch wenige Tanks standen rings um ihn. In einem von ihnen schwebte Rwa Dauton. Seine Blicke waren auf ihn gerichtet, die winzigen Gesichtszüge ließen ihn fragend und bittend erscheinen.
Er konnte mit einem derart fragilen Geschöpf nichts anfangen. Der Humanoide würde ihn nur behindern.
Ganymed streckte als Zeichen der Verneinung einen Finger aus. Dann marschierte er davon, nach allen Richtungen absichernd, sich jedweder Gefahr bewusst.
Er war ein selbstständig denkendes, handelndes Wesen. Er besaß einen Namen, eine Identität. Niemals wieder würde er es zulassen, dass ihm irgendjemand das Recht auf ein Eigenbewusstsein verwehrte.
*
Erkenntnis:
Das Höchste Aller Wesen grübelte lange. Es überlegte, was es an seinem
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